Speyer Wo die Straßen Kurven haben müssen

Auf eine poetische Reise durch seine Heimatstadt Damaskus hat der deutsch-syrische Schriftsteller Rafik Schami seine Zuhörer am Montagabend in der voll besetzten Speyerer Buchhandlung Osiander mitgenommen. Es war eine Liebeserklärung mit zauberhaften Erinnerungen aus der Zeit von 1946 bis 1970, als Schami dort aufwuchs und wohnte.

„Wir Araber malen mit den Worten, denn unser Ursprung ist die Wüste, da gibt es keine Farben“, erklärte der 68-Jährige. Die Wüste habe die Araber geformt. Schutz und Geborgenheit gebe ihnen die „Sippe“, in der der Scheich oder Oberste als Gebieter das Sagen habe. Widerspruch werde nicht geduldet, ein „aus der Reihe tanzen“ sei wie ein Vertragsbruch. So sei auch die derzeitige politische Lage Syriens zu erklären, unterstrich Schami. Laut dem Schriftsteller mögen Araber keine geraden Linien. Vielmehr lieben sie alles, was Rundungen hat, wie den Bauch einer Schwangeren oder die Zweige der Oliven und Palmen, die sich unter der Last der Früchte biegen, wie Schami bildhaft beschrieb. Rund sei ein Zeichen von Leben. Deshalb hätten die Bewohner von Damaskus im Laufe der Zeit alle Wege und Straßen in ein Gewirr von Kurven und Biegungen geändert, die letztlich alle auf die einzige erhaltene gerade verlaufende Hauptstraße endeten. Schami schilderte das Zusammenleben von Christen und Muslimen friedlich und geprägt durch gegenseitige Rücksichtnahme auf ihre verschiedenen Sitten und Gebräuche. So durften Schami und seine Geschwister als Christen während des muslimischen Fastenmonats Ramadan keine Speisen zu ihren andersgläubigen Spielkameraden mitnehmen, um sie nicht zum Essen zu verführen. In mehreren heiteren Anekdoten erklärte Schami den Unterschied zwischen Arabern und Europäern. Von großen arabischen Hochzeiten wusste er zu berichten, die so viele Kosten verursachten, dass durch die Schuldenberge die Eheleute für den Rest ihres Lebens „zusammengedrückt“ würden. Darüber hinaus sprach der Autor vom Marienkult in seiner katholischen Familie, von seiner Mutter, die ihn immer wieder erwischte, wenn er verbotenerweise am Meer gespielt hatte, und von seinen Beichten, die er in seiner Schule jeden Samstag ablegen musste, auch wenn er nichts Böses getan hatte. Mit seinen faszinierenden Geschichten zog Schami die Zuhörer in seinen Bann.

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