Speyer Tanz, Türöffner, Taufen

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Die RHEINPFALZ stellt in den nächsten Wochen die Religionsgemeinschaften vor, die eigene Gliederungen in Speyer haben. Wie sieht das Gemeindeleben aus, wer macht mit, an was wird geglaubt? Zum Auftakt eine der Großen: die evangelische Kirche mit fünf aktiven Gemeinden.

14.300 Christen zählen die fünf Speyerer Gemeinden in der Evangelischen Landeskirche, annähernd 30 Prozent der Speyerer. Markus Jäckle als zuständiger Dekan kommt nicht umhin, eine grundsätzlich leicht zunehmende Kirchenferne zu bedauern. Er weiß aber: Mit vielen neuen, teilweise unkonventionellen Ideen werden längst auch neue Gruppen an die Kirche herangeführt. „Das Nutzerverhalten hat sich geändert“, sagt Jäckle. Dass die Begriffswahl an die teils überbordende Medienwelt erinnert, ist vielleicht kein Zufall: Gerade in einer kulturell so reichen Stadt wie Speyer seien die Kirchen heute ein Anbieter unter vielen, so der Theologe. Der 48-Jährige ist nach einem Jahr als Verantwortlicher vor Ort überzeugt, dass die Gemeinden gute Arbeit leisten: Sie seien echte Volkskirche mit Angeboten für alle Altersklassen, mit dem gerade bei den „Kirchennahen“ gefragten klassischen Sonntagsgottesdienst, aber eben auch mit neuen Formen: „Der Kreis derer, die nicht wöchentlich, aber über Projekte zu uns kommen, wird größer.“ Die Liste ist lang: Die Johanneskirche Speyer-West bietet monatliche Kleinkunstabende und zuletzt „Gott sei Tanz!“, den „Tanzkurs für christlichen Lebensgroove“. Die Christuskirche in Nord bereitet ein „Kirchensonntagsmahl“ mit Gulasch vor, in der Dreifaltigkeitskirche gibt’s an Samstagen Marktkonzerte, die Gedächtniskirche machte beim „Türöffner-Tag“ der „Sendung mit der Maus“ mit. „Wir öffnen uns für Jüngere und merken Erfolge“, ordnet Jäckle ein. Dass es trotz leicht sinkender Mitgliederzahlen zuletzt wieder ein Plus bei den Taufen gab, sei nicht selbstverständlich. Konfirmieren ließen sich rund 70 Prozent eines evangelischen Jahrgangs. Die Johanneskirche hat mit 4000 Speyerern die meisten Mitglieder, es folgen Gedächtniskirche, Dreifaltigkeitskirche und Christuskirche mit jeweils rund 3000 und die Auferstehungskirche in der Südstadt (1400). Sieben Pfarrer – manche davon mit Teilzeitstellen – und drei Gemeindediakone steuern die Angebote im Hauptamt, dazu kommen Chor- und Gruppenleiter, Ehrenamtliche und Ehemalige wie die Ruhestandspfarrer. „Es braucht bei allen Aktionen einen Kopf, aber es gibt viel Unterstützung“, sagt Jäckle. Im November werden 52 Presbyter gewählt, die Verantwortung tragen. 81 Bewerber gibt es dafür. Das sei gut, aber es gebe ein Speyer-Spezifikum, weiß Jäckle: Viele Engagierte hätten auch andere Ämter und wenig Zeit. Überhaupt, die Stadt: Es ist nicht irgendeine Kommune mit evangelischen Christen, sondern eine der 16 Lutherstädte – auch wenn Martin Luther sie nie besucht hat. Die Protestation der Fürsten und der Freien Reichsstädte gegen die Reichsacht über Luther beim Speyerer Reichstag von 1529 hat wesentlich zur Verbreitung des evangelischen Glaubens beigetragen. Ein Standortvorteil für die heutige Basisarbeit in den Gemeinden? „Das Bewusstsein dafür ist vorhanden“, sagt Jäckle. Die Identifikation sei hoch. Gerade zum Reformationsjubiläum 2017, wenn auch die Dreifaltigkeitskirche „als Bürgerkirche schlechthin“ und hoffentlich frisch renoviert 300-jähriges Bestehen feiert, erwartet der Dekan einen Schub. Aber bei aller kirchenpolitischen Bedeutung: Ohne harte Arbeit gehe es nicht. Speyer ist die Stadt der Kirchenregierung, und Speyer ist die Stadt, in der der Dekan längst nicht jeder seiner vielen Einladungen nachkommen kann. Speyer ist die Stadt, in der die Protestanten so gut verwurzelt sind, dass etwa die Dreifaltigkeitsgemeinde beim Altstadtfest zu großer Form aufläuft, und in der die gemeindeübergreifende Arbeit bestens läuft: Vom Konfirmandenunterricht über die Krabbelkirche bis hin zur Senioren- und Projektarbeit gibt es Kooperationen, so Jäckle. Als Zusammenschluss besteht die Gesamtkirchengemeinde, die bei der „Mahlzeit“ Bedürftige zu Tisch bittet, die Asylbewerber einlädt und zu der auch drei Kindergärten gehören. Eine Neuerung im Jahr 2015 werden Glaubenskurse sein, berichtet der Dekan. Das Ziel, wie immer: „Wir wollen die Leute ansprechen.“ Mein Glaube in einem Satz: Markus Jäckle, Dekan: „Gott liebt mich vorbehaltlos, so wie ich bin, und ich bin allein meinem Gewissen vor Gott verantwortet – das ist die evangelische Freiheit, die ich in der Gemeinschaft mit den Glaubensgefährten erfahre.“

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