Speyer Suche nach Freiheit

Angespannt grimassierend: Ausschnitt aus „Augur I“ (Öl, 1965) von Willy Weiglein. Eine Bilderstrecke gibt es in der RHEINPFALZ-A
Angespannt grimassierend: Ausschnitt aus »Augur I« (Öl, 1965) von Willy Weiglein. Eine Bilderstrecke gibt es in der RHEINPFALZ-App.

Der Speyerer Jurist Willy Weiglein (1928–1985) war ein experimentierfreudiger Zeichner und Maler. Sein vielseitiges Werk greift die avantgardistischen Strömungen der Nachkriegszeit auf. Der Bildhauer Thomas Duttenhoefer und die Städtische Galerie Speyer widmen dem Werk des Autodidakten ab heute eine umfassende Rückschau.

56 Bilder in Öl, Aquarell und Mischtechnik zeigt die Ausstellung. Alle Werke entstanden von den 50er bis zu den frühen 70er Jahren und stammen aus Familienbesitz. Eine Aufgabe der Städtischen Galerie sei es, wichtige Speyerer Künstlerpersönlichkeiten wieder ins Gedächtnis zu rufen, sagt deren künstlerischer Leiter Franz Dudenhöffer. Dass Weiglein, der nicht nur malte, sondern auch kunstkritische Texte veröffentlichte, so eine Persönlichkeit war, darüber sind sich die beiden Kuratoren einig. Mit gereckten Hälsen und verrenkten Köpfen starren sie in den Himmel: Willy Weigleins „Auguren“ von 1965. Dudenhöffer sieht sie als das Hauptstück der Ausstellung an. Im Römischen Reich deuteten die Auguren durch die Beobachtung des Vogelflugs die Zukunft. In Weigleins Bild scheinen sie wenig Positives zu erspähen. So angespannt grimassierend stehen sie da. Der intellektuelle Nachwuchskünstler hegte wohl ebensolche Zweifel an der Fortschrittlichkeit seiner Zeitgenossen. In seinen Texten bemängelt er das rückständige Kulturverständnis in seiner Heimat. In seiner eigenen Malerei möchte er sich nicht mehr auf das Althergebrachte beschränken. „Die Zufälligkeiten der äußeren Realität“ wolle er „beseitigen“ und zu „allgemeineren und vieldeutigeren Aussagen“ gelangen, schreibt Weiglein über seine Kunst. Menschen und Landschaften auf ungewohnte Weise darzustellen und klassische Erwartungen an ein Thema zu enttäuschen, dazu gehörte Mut. Am deutlichsten wird das vielleicht heute noch an den Aktdarstellungen. Auf großformatigen Ölbildern mit rauer, strukturierter Oberfläche zeigt Weiglein derbe Frauenkörper, gemalt und gespachtelt in erdigen und fleischigen Farbtönen. Fernab von der klassischen Verführungspose wirken diese Frauenfiguren roh und archaisch. Als Individuen sind sie nicht zu identifizieren. Ähnlich typisiert wirken die Frauenakte in Tusche, die er mit wenigen Strichen umreißt und mit fleckig abspringender Tusche auffüllt. Die „allgemeinere Aussage“ drückt sich hier wohl in der absichtsvoll rohen Form aus. Weigleins Kunst entstand aus der Auseinandersetzung mit innovativen internationalen Kunstströmungen sowie aus dem Wunsch, sich ihre Freiheitlichkeit anzueignen und auch Andere daran teilhaben zu lassen. Ausstellung —Zu sehen in der Städtischen Galerie Speyer vom 1. September bis zum 8. Oktober, donnerstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr —Zur Eröffnung heute, 18 Uhr, spricht der Bildhauer Thomas Duttenhoefer.

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