Speyer Stadtgeschichte(n): Speyer hat den Dom, aber lange nicht den Bischof

„Der ursprüngliche Sitz der Bischöfe befand bei ihrer Kathedrale und dementsprechend in Speyer im Nordosten des Domes“, berichtet der Leiter des Bistumsarchivs, Thomas Fandel. Die Bischofspfalz entstand in der Salierzeit, vor der Mitte des elften Jahrhunderts. Diese war zunächst mit der Königspfalz identisch. „Das heißt, auch die weltlichen Herrscher haben dort residiert, wenn sie in Speyer waren“, berichtet Fandel. Spätestens im 13. Jahrhundert sei der Bereich alleiniger Besitz der Bischöfe gewesen. Von friedlichem Miteinander zwischen Fürstbischof und Bürgern kann spätestens seit dem zwölften Jahrhundert keine Rede mehr sein. Die Speyerer lehnten sich gegen die Herrschaft des Fürstbischofs auf. 1111 gewährte ihnen Heinrich V. persönliche Freiheiten im Großen Freiheitsbrief. Das war der Start der Entwicklung zur Freien Reichsstadt. „Es gab immer wieder Auseinandersetzungen“, sagt Fandel. 1277 kam es zu einem Aufstand der Speyerer Bürger. „Im Zuge dessen ist dann der Domdekan Albert von Mußbach als Vertreter der besonderen bischöflichen Rechte auf dem Weg zum Dom in der Stadt umgebracht worden.“ Um 1294 oder 1302 – diesbezüglich variieren die Quellen – gab es Zugeständnisse der Bischöfe an die Stadt. „Man hat sie immer wieder versucht rückgängig zu machen, aber letztendlich bedeutet diese Zeit das Ende der bischöflichen Herrschaft über die Stadt“, erläutert der Leiter des Bistumsarchivs. Die Bischöfe waren nicht mehr erwünscht. Fandel: „Wo sie sich im 14. Jahrhundert bevorzugt aufgehalten haben, variiert. Eine Rolle spielt Udenheim, das spätere Philippsburg. Denn die Bischöfe haben 1314 die Burg zu Udenheim gekauft.“ Das neue Domizil war nur zehn Kilometer Luftlinie entfernt, und eine Fähre gab es damals auch schon. Die Fürstbischöfe waren damals sowohl weltliche, als auch geistliche Herrscher über das Hochstift Speyer. „Sie haben sich aber zum Großteil als weltliche Herren verstanden“, sagt Fandel. Also mehr Fürst denn Bischof. Sie kleideten sich modisch, hatten Waffen, einen Hofstaat und Konkubinen. Einige von ihnen waren sogar nicht zum Priester geweiht, bevor sie Bischöfe wurden. „Für die eigentliche Seelsorge hatte man einen Weihbischof“, erläutert Fandel. Domkapitel und Generalvikariat, die später entstanden, waren in Speyer angesiedelt und kümmerten sich um geistliche Geschäfte. Wenn der Bischof mal in Speyer war, dann zur Belehnung von Vasallen. Von Udenheim waren aber auch nicht alle Fürstbischöfe begeistert. So wählte Gerhard von Ehrenberg Bruchsal als Residenz. „Erst unter Raben von Helmstatt (1396 bis 1439) ist Udenheim um die Wende des 15. Jahrhunderts der am häufigsten belegte Ausstellungsort von Urkunden, so dass man davon ausgehen kann, dass er dort residiert hat“, so Fandel. Zeitweilig zog es einige Bischöfe auf die Kästenburg, das heutige Hambacher Schloss. Es gibt weitere Nebenresidenzen: Kirrweiler, Deidesheim, Kisslau (in Baden), Lauterburg, Jockgrim, der pfalzgräfliche Hof Heidelberg. „Der Verwaltungsapparat des Bischofs hat zeitweilig auch in Marientraut bei Hanhofen residiert“, so Fandel. Das 17. Jahrhundert war für Speyerer Katholiken nicht einfach: „Die Stadt wird durch die Reformation lutherisch. Es sind aber durch das Domkapitel auch weiterhin Katholiken in der Stadt.“ Jesuiten hätten sie teils wieder katholisch gemacht. 1623 wird Udenheim nach seinem Gründer in Philippsburg umbenannt, die Residenz zur Festung ausgebaut. Sie ist nicht mehr für den dauerhaften Aufenthalt der Reichsfürsten und seines Hofes geeignet. Speyer triftete aus Sicht der Fürstbischöfe in die Bedeutungslosigkeit ab. In den 1620er Jahren war es mit Unterbrechungen mit den Erzstiften Trier und Mainz verbunden. Fürstbischof Philipp Christoph von Sötern lebte am liebsten am Mittelrhein, sein Nachfolger Lothar Friedrich von Metternich (1652-1675) zeitweise vorwiegend in Speyer und Bruchsal. Johann Hugo von Orsbeck (1676-1711) besuchte Speyer nur einmal, als er feierlich in die Bischofsstadt einzog. Das Hochstift Speyer hatte damals nur noch den Rang eines Nebenlandes. Es wurde über Jahrzehnte von Trier, Koblenz-Ehrenbreitstein sowie von Mainz und Aschaffenburg aus regiert. Erst Damian Hugo von Schönborn (1676-1743) wollte wieder mit seinem Hofstaat nach Speyer ziehen. Er scheiterte aber am Stadtrat. 1720 entschied man sich für Bruchsal als Residenz – damals die größte Stadt des Hochstifts. 1722 wurde dort das Residenzschloss gebaut. Wilderich von Walderdorff wird im Jahr 1797 in Bruchsal zum Bischof geweiht und erlebt den Untergang des Hochstifts Speyer. Er fristet seine Tage in Räumen des Bruchsaler Schlosses und in der Eremitage Waghäusel. Erst mit der Neugründung des Bistums wird Speyer Bischofssitz.

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