Speyer Patzelt packt

Ludwigshafen

. Rosemarie Patzelt mistet aus. Akten, Broschüren und Informationsblätter holt sie aus Schrank und Schreibtisch. Ein Teil geht an die zuständigen Referate. Ein Teil wandert in den Schredder. Zwischen ernsten Jugendamtsberichten finde sie manchmal auch RHEINPFALZ-Artikel, sagt die 60-Jährige und lacht. Das macht sie gerne, laut und lang. Erst dann erklärt sie, was genau an den Zeitungsausschnitten so lustig ist. „Eigentlich ist es mehr der Schlagabtausch, der hinterher stattgefunden hat. Ein Journalisten-Kollege hat sich beispielsweise mal darüber aufgeregt, dass wir im Kreisausschuss zu sozialen Themen süße Stückchen essen.“ Daraufhin habe sie an die RHEINPFALZ eine E-Mail geschickt, dass der Ausschuss sich künftig angemessen verhalte und seine Sitzungen unter die Rheinbrücke verlege, für das stilechte Camp aber noch Zeitungen zum Zudecken benötige. Dass sie auf den Mund gefallen ist, kann man Patzelt nicht nachsagen. An ihre direkte Art haben sich die Mitarbeiter im Jugend- und Sozialamt erst gewöhnen müssen, als die Limburgerhoferin vor vier Jahren als Nachfolgerin von Ursula Heberger im Kreishaus auftauchte. Und Ernst machte. „Ich bin ja nicht beim diplomatischen Dienst angestellt worden und ich wollte was bewegen.“ Also habe sie mit allen Mitarbeitern Gespräche geführt, einen Workshop veranstaltet – „ich habe gesagt, was ich mir vorstelle, die anderen, was sie sich wünschen“ – und einen Strategieplan erstellt. Um den zu erfüllen, hat Patzelt vier Jahre lang, vier Tage in der Woche gearbeitet. Über 6000 Arbeitsstunden hat sie angesammelt, verrät das Zeiterfassungssystem – da sind die Auswärtstermine noch gar nicht eingerechnet. Aber bei solch einer Präsenz hatte das Verwaltungspersonal wenigstens genug Gelegenheit, sich an die Beigeordnete und ihr Lachen zu gewöhnen. „Sicherlich wollte mich der eine oder andere immer mal wieder am liebsten auf den Mond schießen, aber ich glaube, ich bin doch Teil der Mannschaft geworden. Und ich finde, wir haben einiges erreicht.“ Patzelts Fazit aus vier Jahren ist eineinhalb DIN-A4-Seiten lang. „Heribert Werner findet, es ist zu viel, was ich Ihnen erzählen will.“ Der Abteilungsleiter für Soziales, Senioren und Betreuungen wusste wohl, dass auf dem Blatt kein ausformulierter Abschlussbericht, sondern nur Stichworte stehen, die Rosemarie Patzelt hingebungsvoll auszuschmücken weiß. Man merkt schnell, dass sie ihren Job gerne gemacht hat und sie ihre eigenen Vorstellungen hatte, wie er auszufüllen ist. „Eine Stellenbeschreibung gibt es ja nicht ...“ Sie beginnt ihr Fazit mit dem Thema, dass ihr – wie sie sagt – am nächsten liegt: dem Älterwerden. „Wenn ich später nicht verwaltet werden will, muss ich mir jetzt Gedanken machen, wie ich im Alter leben will. Dann muss ich gestalten.“ Patzelt ist für ein Umdenken: weg von stationären Einrichtungen, hin zu ambulanten Hilfen, Tagespflege, Senioren-WGs. Sie wird sich bald zur Demografieberaterin ausbilden lassen, eine Fortbildung, die Handwerkskammer und Universität Mannheim anbieten. Wozu? „Ich habe Pläne – auch als neue Erste Beigeordnete für Limburgerhof.“ Ihre Energie scheint Patzelt jedenfalls nicht in der Kreisverwaltung verpulvert zu haben. Und auch nicht in Kindertagesstätten, Behindertenwohnheimen, Sozialstationen, Asylbewerberunterkünften – denn es gibt fast nichts, was Rosemarie Patzelt nicht besucht hätte. Im Gegenteil, die Vor-Ort-Besuche taten ihr gut. „Ich muss die Menschen sehen, brauche eine Vorstellung von den örtlichen Gegebenheiten – ich kann keine Arbeit vom ,grünen Tisch’ aus machen.“ Besonders gut gefallen hat ihr das Kinderzentrum in Oggersheim, an dem der Kreis beteiligt ist und wo Menschen mit Behinderung gefördert werden. „Ich habe da gelernt, dass man den Menschen sehen muss und was er kann – nicht seine Defizite. Die Mitarbeiter da leisten eine tolle Arbeit.“ Anerkennung zollt Patzelt jedem, der anpackt und nicht wegschaut – den Mitarbeitern des Allgemeinen Sozialen Diensts, die sich mit schwierigen Familienverhältnissen auseinandersetzen müssen. Oder den Erzieherinnen, die Kinder von eins bis sechs Jahren betreuen müssen. Die scheidende Kreisbeigeordnete findet, dass es schon eine große Herausforderung ist, den unterschiedlichen Bedürfnissen bei solch einer Altersspannbreite gerecht zu werden. Das Land komme allerdings immer wieder mit neuen Ideen. „Da sollen Beete angelegt oder Ernährungsprogramme umgesetzt werden – Kitas sollten doch aber auch ein Ort der Ruhe sein, wo Kinder ankommen können.“ Patzelt findet es gut, dass sich in allen Bereichen etwas bewegt im Kreis. Ob es jetzt das Netzwerk Kindeswohl ist, das anfängt zu greifen und in dem Beratungsstellen, Gesundheitsamt, Jugendamt, Jugendhilfeeinrichtungen, Kindertagesstätten, Schulen aber auch Ärzte, Gemeindevertreter, Justiz und Polizei miteinander arbeiten. Ob es Angebote für psychisch beeinträchtigte Menschen sind, wie der Kontaktstellentreff in Limburgerhof. Oder ob es Pflegestrukturplanung und das Seniorenbüro sind, die sich mit demografischem Wandel und Älterwerden beschäftigen. „Das Seniorenbüro ist allerdings noch zu einer Leitstelle Älterwerden ausbaufähig – wo Angebote und Beratung für Senioren vernetzt werden. So dass nicht jede Kommune ihr eigenes Süppchen kochen muss.“ Diesen Satz formuliert Rosemarie Patzelt für ihren Nachfolger Martin Haller. Den 30-Jährigen Sozialdemokraten, den sie leider nicht näher kennengelernt habe. „Ich dachte ja eigentlich an eine Übergabe ...“ Überhaupt: Patzelt ist verwundert darüber, wie die Kreisspitze einschließlich Landrat mit dem Wechsel und ihrem Ausscheiden umgeht. „Politische Ämter sind Ämter auf Zeit, das weiß ich. Aber gerade deshalb wäre es schön gewesen, wenn am Ende anständig miteinander kommuniziert worden wäre – allein für die Sache. Und ein bisschen Wertschätzung hätte auch gut getan, da bin ich ehrlich.“ Patzelt verlässt deshalb aber nicht ihr Humor. Sie lacht schon wieder, als sie ein Bild von der Innenseite ihres Schranks abknibbelt: Eine Frau, die den Kopf in eine Torte steckt. „Manchmal waren wir hier drin soweit, das kann ich Ihnen sagen. Aber wir haben alle Situationen gemeistert.“ Rosemarie Patzelt freut sich, dass viele aus ihrem Team in den vergangenen Tagen vorbeigekommen sind und Tschüss gesagt haben. „Schöne Momente.“ Doch kein Grund, jetzt sentimental zu werden. Und ganz wird Patzelts Lachen ja auch nicht im Kreishaus verklingen: Im Jugendhilfe- und Sozialausschuss will sie schon mitmischen. Und im Kreistag Oppositionspolitik machen.

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