Kulturspiegel Musikfeste mit Alter Musik

Er drückt nicht ab: Bejun Metha, als Licida weiter Spitze.
Er drückt nicht ab: Bejun Metha, als Licida weiter Spitze.

Von einer Wiederbegegnung mit Vivaldis Oper „L’Olimpiade“, die 2007 beim Winter in Schwetzingen des Heidelberger Theaters gegeben wurde.

Sommerzeit ist Festivalzeit, nicht nur in Bayreuth und Salzburg. Und sehr groß ist mittlerweile die Zahl der Festspiele, die sich der Alten Musik widmen, also jener Musik vor etwa 1750, deren Aufführungstradition bis heute nicht ungebrochen ist, sondern die früher oder später wieder entdeckt und neu belebt wurde. In Speyer stehen in wenigen Wochen Musikereignisse bevor, die zwar nicht nur, aber auch Musik des Barocks gewidmet sind. Beim Musikherbst von PalatinaKlassik gibt es Bach und Vivaldi – und bei den gewichtigen Internationalen Musiktagen Dom zu Speyer gibt es erneut einen Bach-Schwerpunkt. Im vergangenen Jahr standen sich ja Bach und Vivaldi im Eröffnungskonzert gegenüber – und sonst war das Festival 2022 vor allem ein Schütz- und Händel-Fest.

Ganz alter Musik gewidmet ist der Winter in Schwetzingen des Heidelberger Theaters, der ab Dezember wieder läuft und mittlerweile deutscher Barockmusik gewidmet ist. In seinen Anfängen standen die lange kaum bekannten und beachteten Opern von Antonio Vivaldi im Zentrum. Denn der „rote Priester“ (wegen seiner Haarfarbe so genannt) hatte ja nicht nur die „Vier Jahreszeiten“, hunderte andere Konzerte oder das beliebte Gloria komponiert, sondern auch viele Opern, von denen freilich viele nicht erhalten geblieben sind.

Vivaldi wiederentdecken

Die vorliegenden gehören zur Spitze der Barockoper, liegen zum Glück in vielen CD-Aufnahmen vor und werden beim Publikum immer beliebter.

Zu den überlieferten gehört auch „L’Olimpiade“ (Die Olympiade), die es auch 2007 beim zweiten Winter in Schwetzingen gab. In diesem Sommer war das Werk bei einem der renommiertesten Alte-Musik-Festivals in Mitteleuropa, bei den Festtagen der Alten Musik in Innsbruck (www.altemusik.at) zu erleben.

Kleine Fußnote: Innsbruck ist die alte Habsburgerstadt, die Hofburg wie der Speyerer Dom Teil der Via Habsburg. In der Hofburg dort lebte kurzzeitig auch der spätere bayerische König Ludwig I., der nach den Habsburgern nun Gegenstand einer Ausstellung im Historischen Museum in Speyer sein wird. Zweite Fußnote: Aus Innsbruck kam ein Gutteil der Musiker des legendären Mannheimer Orchesters im 18. Jahrhundert.

Gegenüber der Hofburg ist das Landestheater, in dem heuer besagte „L’Olimpiade“ zu sehen war. Für den seit 2010 amtierenden künstlerischen Leiter Alessandro De Marchi war es die letzte Saison am Inn. 2024 übernimmt Ottavio Dantone aus der Partnerstadt von Speyer, aus Ravenna.

Gut vier Stunden dauerte die Vorstellung, bei der De Marchi bei jedem Erscheinen emphatisch mit großem Beifall begrüßt wurde. Auch nach fast jeder Arie gab es begeisterten Szenenbeifall – und am Ende war das Publikum schier aus dem Häuschen.

Sänger aus Schwetzingen bekannt

Und das völlig zu Recht. Am Pult des Innsbrucker Festwochenorchesters kostete Alessandro De Marchi alle Reize dieser Musik voll aus. Er ließ sich auch Zeit, etwa in der Schlummerarie im ersten Akt, ihre Schönheit betörend zu entfalten, sorgte natürlich aber auch für das nötige Feuer in den belebten und erregten Arien und begleiteten Rezitativen. Verblüffend war aber auch die atemberaubende Pianokultur bei Orchester und Solisten. Kurz: Es war eine absolut zwingende und authentische Wiedergabe.

Optimal und in jedem Fall olympiareif war die Sängerbesetzung. Die beiden tiefen Stimmen Christian Senn (er sang schon in Schwetzingen) und Luigi De Donato sangen ebenso profund wie kultiviert. Als Leid geprüfte Edeldamen gaben Benedetta Mazzucato und Margherita Maria Sala (beide waren auch schon in Schwetzingen zu hören) ihren Seelennöten immer intensiven Ausdruck und überzeugten durch stimmlichen Wohllaut.

Die Goldmedaillengewinner

Doch die Sensation waren die hoch singenden Männer. Bejun Metha als Licida auf Liebesabwegen brillierte ungebrochen durch seine verfeinerte Gesangskunst und die Tiefe seines Vortrags. Raffaele Pe, 2024 wieder bei den Händel-Festspielen in Karlsruhe zu erleben, glänzte als Athlet Megacle einmal mehr durch eine glückliche Verbindung von Beweglichkeit und Leidenschaft. Die Bravourstücke in dieser Oper hat Aminta, eigentlich eine Nebenrolle. Aber wenn diese von dem brasilianischen Sopranisten Bruno de Sá gesungen wird, wird sie zur fulminanten Hauptsache. Der Sänger faszinierte mit seinen brillanten hohen Tönen, seiner sagenhaften Virtuosität, aber eben auch durch seine stets gewinnende Ausstrahlung.

Die Inszenierung von Stefano Vizioli war überaus unterhaltsam. Sie verlegte das antike Geschehen um einen amourös motivierten betrügerischen Athletentausch bei den Olympischen Spielen in eine Sporthalle in den 1930er-Jahren (denn 1939 wurde die Oper in Siena erstmals seit der Barockzeit wieder aufgeführt). Mit einem erfrischen Schuss Ironie und vielen aparten Einfällen erhöhte die szenische Einstudierung das Vergnügen an dieser spektakulären Produktion.

Top in Form: Raffaele Pe als Megacle.
Top in Form: Raffaele Pe als Megacle.
Goldmedaille im Barockgesang: Bruno de Sá als Aminta.
Goldmedaille im Barockgesang: Bruno de Sá als Aminta.
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