Speyer Motivation: Anderen in Not helfen können“

91-78767450.jpg
Herr Görich, waren Sie heute schon in Ihrem Ehrenamt tätig?

Ja sicher. Als Ortsbeauftragter im THW führt man faktisch ehrenamtlich eine Behörde. Das THW ist eine Bundesanstalt mit 80.000 Ehrenamtlichen und etwa 800 Hauptamtlichen. Soweit ich weiß, ist das einzigartig. Weltweit. Wie sind Sie zum Ehrenamt gekommen? Eine Interesse an Technik und die Motivation, anderen in Not helfen zu können. Ich war 17 Jahre alt, hatte gerade meine Ausbildung als Fluggerätbauer, und das THW kam in die Klasse während des Berufschulunterrichts, um für das Mitmachen zu werben. Ähnlich wie dies damals auch die Bundeswehr gemacht hat. Der Ersatzdienst zum Wehrdienst war eine Motivation mehr für mich, die jedoch nach sehr kurzer Zeit im THW in den Hintergrund trat. Ich bin den folgenden Donnerstag ins THW gegangen. Ab da war ich begeistert und dabei. Was fällt für das Amt an – welche Aufgaben, welcher Zeitaufwand? Für mein Ehrenamt im THW habe ich schon bis zu 800 und mehr Stunden im Jahr aufgebracht. Das waren besondere Jahre mit vielen Einsätzen, die über einen langen Zeitraum gingen und ich hatte noch richtig viel Freizeit als Schüler und Student. Heute, in einer Funktion, mit wirklich ausfüllendem Beruf und, nicht zu vergessen, mit Familie, sind es etwa 200 bis 300 Stunden im Jahr, wobei ich nicht jede Stunde „aufschreibe“. Meine Aufgabe ist es, das THW in Speyer zu führen. Dazu gehört, dass die Ausstattung und Fahrzeuge jederzeit einsatzbereit sind, dass die Helfer die beste Ausbildung erhalten, dass die Heizung im Winter funktioniert, dass das Geld, was ich zur Verfügung habe, richtig und ordnungsgemäß verausgabt wird, dass der Kontakt mit der Stadt, der Feuerwehr, der Polizei und allen anderen im Katastrophenschutz tätigen Organisationen und Behörden besteht, dass die Jugendgruppe auf das Jugendlager fahren kann und, und, und. Das heißt nicht, dass ich alles mache, aber dass ich schaue, dass es gemacht wird. Ich habe zum Glück ein hervorragendes Team, das mich dabei unterstützt. Die sind auch alle ehrenamtlich beim THW. Haben Sie ein besonderes Talent dafür, das gewisse Etwas? Was immer „das gewisse Etwas“ ist – ich denke schon. Jeder hat ein gewisses Talent und gerade im Ehrenamt sind diese Talente am sichtbarsten. Wer würde schon in seiner Freizeit etwas tun, für das er kein Talent hat? Wenn man für etwas nicht wirklich talentiert ist, dann macht es auch keinen Spaß. Und Spaß ist das allererste Argument für ein Ehrenamt. In welchen Momenten geht Ihnen das Herz auf? Bezogen auf mein Ehrenamt? Sonst würde ich sagen, „wenn ich morgens in die lachenden Gesichter meiner sechs Monate alten Zwillinge schaue“. Ansonsten geht mir das Herz auf, wenn ich sehe, dass funktioniert, was wir tun als THW und bereitstehen, wenn wir gebraucht werden. Aktuelles Beispiel Eisenbahnunglück in Bayern. So schlimm es war, so beeindruckend war, wie dort die in großen Teilen ehrenamtlichen Kräfte professionell, schnell Hilfe geleistet haben. Und wann platzt Ihnen der Kragen? Wenn ich sehe oder erfahre, wie Menschen ohne jeglichen Eigenbeitrag die Vorteile unserer Kultur konsumieren, aber sobald sie sich in ihrem persönlichen Umfeld beeinträchtigt fühlen, sofort diese Gesellschaft verteufeln und auf ihre Persönlichkeitsrechte pochen. Sie tun etwas für andere – wie kann man denn Ihnen helfen? Darauf habe ich nicht wirklich eine Antwort, ansonsten wäre es ja nicht eine Ehre für mich, das Amt wahrzunehmen. Aber wenn es um das Ehrenamt im Bevölkerungsschutz im Allgemeinen geht, dann habe ich doch Wünsche. Wir haben in Deutschland etwas weltweit Einzigartiges. Ein großer Teil des Systems zum Schutz der Bevölkerung vor Unglücksfällen und Katastrophen basiert auf dem ehrenamtlichen Engagement. Dafür bewundern uns andere Länder. Wenn die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt nicht mehr attraktiv sind, geht dieses System kaputt. Ich wünsche mir, dass man dies eher in Betracht zieht, wenn man entscheidet. In der Vergangenheit war dies nicht immer der Fall. Stichwort ist die ersatzlose, faktische Abschaffung der Wehrpflicht. Wie schon gesagt, der Ersatzdienst war damals auch eine Motivation für mich, dem THW ehrenamtlich beizutreten. Und bleibt an den Wochenenden auch Zeit für etwas anderes? Sicher doch. Fragen sie meine Frau. Zur Person Jan Görich (40), Informatiker, ist seit 1994 als Helfer beim Technischen Hilfswerk (THW) in mehreren Funktionen tätig. Die Serie Was bewegt Menschen, die in Speyer ihre Zeit unentgeltlich für andere einbringen? Narin Ugrasaner befragt Ehrenamtliche.

x