Speyer Jordanien besser verstehen lernen

Seit dem 8. August ist Judith Damian zurück in Deutschland. Ein Jahr lang hat die 20-Jährige im ökumenischen Freiwilligenprogramm der evangelischen Mission in Solidarität (EMS) an einer integrativen Schule im jordanischen Irbid gearbeitet. „Ich blicke zurück auf ein lehrreiches und bewegendes Jahr, das mich Zusammenhänge verstehen und mich selbst besser kennerlernen ließ“, sagt sie.

Dreifach integrativ war Damians Projekt: Zum einen nimmt die Arab Episcopal School – Kindergarten, Grundschule sowie weiterführende Schule – sowohl sehende als auch blinde Kinder auf. Zum anderen werden in der christlichen Einrichtung auch muslimische Kinder unterrichtet. Zudem treffen dort Mädchen und Jungen aufeinander. Die Kombination von Projekt und kulturellem Hintergrund zog Damian nach Jordanien. Der Nahe Osten sollte es auf jeden Fall sein. „Die Medien vermitteln eine einseitige Sichtweise“, sagt sie. Das Projekt fand sie spannend und herzerwärmend zugleich. So fiel die Entscheidung, die sie am 20. August 2013 in den Flieger stiegen ließ, voller Vorfreude auf das Neue. Die ersten drei Monate sei sie auf Wolke 7 gewesen, beeindruckt vom Land, begeistert von der Gastfreundschaft und der liebevollen Art der Menschen. Sie lernte das Berufsleben kennen, beschreibt ihr Jahr als sehr arbeitsintensiv und anstrengend. Morgens lief Damian eine halbe Stunde zur Einrichtung, betreute von 9 bis 12 Uhr im Kindergarten hauptsächlich die blinden Kinder. Den Umgang mit ihnen lernte sie mit der Zeit. Wie viel ihr die emotional Bindung zu Kindern und Familien bedeutet, ist ihr beim Sprechen deutlich anzumerken. „Ich habe mit ihnen gespielt, gesungen, geholfen wo es nötig war“, berichtet sie. Mittags war Damian wahlweise Assistenzlehrerin, hauptsächlich in Kunst, oder kümmerte sich im Büro um anfallende Arbeiten. Dazu spielte sie jeden Sonntag im Gottesdienst Klavier. „Dort fühlte ich mich am wohlsten. Da wurde ich wirklich gebraucht“, sagt Damian. Als ihr Steckenpferd bezeichnet sie die Arbeit mit dem Kirchenchor, den sie leitete. Zwei Projekte stellte sie auf die Beine – an Weihnachten sowie an Ostern gab es eine große Aufführung mit deutschen, englischen und arabischen Liedern. Sie gibt zu: So harmonisch wie das alles klingt, war es nicht immer. Es gab auch Schwierigkeiten wie beispielsweise die Hierarchie der Schule und des kulturellen Raums, die Frage danach, in wie weit sie sich in Dinge vor Ort einmischen dürfe. Doch sie hat durchgehalten. Hat gelernt mit sich selbst zurechtzukommen, ist an den Dingen gewachsen, die schwierig erschienen. Nicht zuletzt hat ihr Freiwilligendienst sie in ihrem Vorhaben gefestigt, evangelische Theologie zu studieren. Zum Wintersemester beginnt sie ihr Studium in Münster. Sie will vielleicht weiter Arabisch lernen. Beeindruckend beschreibt sie die Erfahrungen, wie es gewesen sei, im Ursprungsland „ihrer Religion“ zu sein. Sie hat das komplette Land sowie Teile des Nachbarstaates Israel bereist, das Tote Meer, das Rote Meer, den Jordan gesehen. Auch einen Gottesdienst am Jordan habe sie mitgefeiert. Das Gefühl, auf der anderen Seite des Flusses Israel zu sehen, sich bewusst dessen, was passieren würde, würde man versuchen, rüberzuschwimmen, kann sie kaum in Worte fassen. Obwohl Jordanien an Israel, Syrien, den Irak und Saudi-Arabien grenzt, habe sie nie Angst gehabt, dass politische Stimmungen überschwappen. Im Gegenteil: Damian schätzt die Rolle Jordaniens im Nahen Osten. „Mit offenen Armen werden Notleidende aufgenommen, Flüchtlinge bezeichnet das Land als Gäste“ und das, obwohl Jordaniens Wirtschaft nicht allzu sehr florierte. Es war Damians Ziel, politische Zusammenhänge zu verstehen. Die Frage danach, ob es ihr geglückt sei, beantwortet sie mit einem klaren „Ja“. In Jordanien lebe man als Frau verhältnismäßig liberal, es sei jedoch kein Vergleich zu Europa. Das Privileg der Freiheit und Selbstständigkeit als Frau in Deutschland will Damian nicht mehr missen. Trotz mancher Unebenheiten bereut sie ihr Jahr in Jordanien nicht. Zu Pfarrer Samir Esaid, Gründer der Arab Episcopal School, hat sie auch nach ihrer Rückkehr noch Kontakt, bei ihm habe sie sich immer aufgehoben gefühlt.

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