Speyer Gestochene Motorik

Mit einer strukturklaren, markanten und konzentriert durchgezogenen Interpretation von Bachs Goldberg-Variationen überzeugte Stephan Rahn am Flügel des gut gefüllten Historischen Ratssaals am Samstagabend aufmerksam folgenden Zuhörern. Rahn erreichte eine sehr plastische Ausformung der barocken Charaktersätze und der demonstrativen Virtuosenstücke.

Wenn Musik zuweilen als tönender Geist definiert wird, so hat dies in den 30 Variationen Bachs für den Grafen Hermann von Keyserling seine Berechtigung. Dessen Hauspianist Johann Theophil Goldberg, nach dem der Variationenkosmos auf eine klangvolle Aria (Gegenstand der Variationen ist freilich nur deren Basslinie) benannt wurde, hatte seinem unter Schlaflosigkeit leidenden Grafen die einzelnen Nummern vorzuspielen. Sie gingen im Zyklus dann weniger als Schlaflosigkeitsmedizin denn als ein grandioses, architektonisch gebautes Gesamtwerk in die Musikgeschichte ein. Rahn wählte wie viele heutige Pianisten das Klavier. Was mit der Einmanualigkeit und in der klanglichen Feinstufung Probleme bereitet. Die wusste Rahn überzeugend zu lösen. Zum einen mit raffiniertem und gewandtem Übergriffspiel. Sodann mit gut gestuften Anschlagsvaleurs. Gewiss, der markant zugriffige Klang des Flügels im Ratssaal bei eher intimem Ambiente rollte namentlich bei den schnellen Laufstücken ganz schön mächtig auf. Aber Rahn wusste genügend zu differenzieren, um vor allem die Mehrstimmigkeit der von der ersten bis zur neunten Intervallstufe führenden Kanons zu markieren. Zugute kam ihm dabei ein im Tempo gemäßigtes Spiel mit sparsamem Pedalgebrauch und weit tragender Anschlagskultur. Wie auf einem elektronischen Monitor erlebte man Sequenzen und Gegenbewegungen markiert. Dass Rahn die 80 Minuten Spieldauer konzentriert durchhielt, spricht für seine gute pianistische Kondition. Am Ende besaß er sogar noch die Frische, seiner dankbar begeisterten Hörerschaft das finale Quodlibet humorvoll zu erläutern. In diesem werden damals beliebte Volkslieder ineinander verschränkt, darunter „Kraut und Rüben haben mich vertrieben“. Rahns geschliffen konturierte Spielart erweckte nicht immer den Charme mancher graziöser Charakterstücke. Andere Pianisten wie Martin Stadtfeld oder jüngst Alexandre Tharaud bleiben da schon ein wenig dezenter und verbindlicher. Aber er gewann im zweiten Teil etwa dem Menuett doch behagliche Wärme ab. Im kanarischen Siciliano sah man förmlich die Vögel schwirren. Den drei Moll-Varianten vermittelte er mit weichem Anschlag die behutsamen Trauergesten. Ganz groß gelangen dem Solisten neben den vorwärts drängend gereihten Chaconnen, Ricercare und Passacaglia dann die brillanten Schlussvariationen mit ihren Dauer-Trillern und Akkordwechseln. Da spielte er sich voller Bravour in wahre Klangräusche hinein. Wohltuend versöhnlich gerundet erlebte man dann das Quodlibet, das dann auch mit Stephan Rahns erläuternden Worten dem Publikum noch lange nachklang.

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