Speyer Gesichter der Kulturszene: Jutta Keller

Gitarristin, Musikerin, Dozentin: Jutta Keller.
Gitarristin, Musikerin, Dozentin: Jutta Keller.

Mit den im Internet und in Facebook vorgestellten Menschen aus der Kultur- und Veranstaltungsbranche beteiligt sich die Stadt an einer bundesweiten Initiative. Auf der Webseite gibt es die kompletten Interviews mit Kultur-Fachbereichsleiter Matthias Nowack. Die RHEINPFALZ stellt die Kulturgesichter seit Dezember ebenfalls vor.

Jutta Keller, Gitarristin, Musikerin, Dozentin, ist seit 30 Jahren in der Branche. Zeit und Kraft steckte sie in eine umfassende Digitalisierung ihres Gitarrenunterrichts, was sie schnell umsetzen konnte, so dass dieses finanzielle Standbein tragfähig blieb. Zu jener Zeit war sie sehr froh und dankbar, dass wenigstens im Unterrichtsbereich „überhaupt etwas ging“. Die Lockerungen Ende Mai machten Einzel-Präsenzunterricht wieder möglich – und ab Mitte Juni konnte sie mit ausgearbeitetem Hygienekonzept auch einige Proben mit ihrem Frauen-Gitarrenensemble, den Gitarristas, und mit den Unterrichtsgruppen leiten. Sie erfuhr hilfreiche Unterstützung sowohl von seiten der Eltern ihrer Schüler als auch von den Frauen des Ensembles und der Gruppen allein durch die Tatsache, dass bestehende Verträge nicht gecancelt wurden. Für diesen respekt- und rücksichtsvollen Umgang ist sie sehr dankbar. Es gebe vielfältige Möglichkeiten die Arbeit von Solo-Selbstständigen und Kulturschaffenden auch weiterhin zu ermöglichen und zu unterstützen (zum Beispiel durch CD- oder Bücherkauf, Gutscheinkauf; Abonnements). Positiv überraschten sie insbesondere die Kinder und Jugendlichen, die sich im Unterricht vorbildlich verhielten.

Was ihr sehr fehlt, ist der musikalische Austausch mit Kollegen. Demgegenüber ist der digitale Austausch für sie eher Arbeit als Spiel, aber möglicherweise erschließt sich ihr dieses Gebiet weiterhin mehr und mehr.

Kreativität aus der Ruhe

Auf ihr musikalisches Schaffen hat die Krise insofern Einfluss, dass organisatorische Aufgaben wegfallen. Die daraus resultierende Ruhe wirke sich positiv auf ihre ureigene kreative Arbeit aus.

Das „Berufsverbot“ war zunächst eine zutiefst verunsichernde und vorher nie dagewesene Situation für sie. Sie hat sich über die schnelle und unbürokratische Zuwendung etwa von Speyer.Kultur.Support sehr gefreut habe. Die Stadt Speyer und auch die Kulturstiftung hätten „ihre Kulturschaffenden“ zumindest im Blick und seien bemüht zu helfen; und das nicht erst seit „der Krise“. Für viele Kollegen funktionierten die Hilfspakete nur zum Teil oder auch gar nicht. „Und für die Veranstaltungsbranche, die vielen kleinen Unternehmen und die damit verbundenen Jobs sehe ich ziemlich bis ganz schwarz.“

Langfristige Folgen

Die Verunsicherung in der Branche und die damit verbundene fehlende Planungssicherheit werde weitere Monate anhalten, was bedeute, dass sich sehr wahrscheinlich bis Ende 2021 das Kulturangebot betroffen sein werde und auch keine vergleichbaren Einnahmen wie vor der Krise zu erzielen seien. Dies wiederum werde mit Sicherheit auch Auswirkungen auf die Folgejahre haben. Es werden, so denkt sie, viele, vor allem kleine Locations dicht machen müssen und somit Auftrittsmöglichkeiten fehlen. Das werde unweigerlich dazu führen, dass – wie schon vor der Pandemie zeitweise geschehen – das finanzielle Risiko mehr und mehr beim Künstler verbleibt. „Möglicherweise sollte der Gedanke einer Grundsicherung für freie Kulturschaffende mit dem Ziel einer funktionierenden und unabhängigen Kulturszene weiter diskutiert werden. Kunst und Kultur ist ein nicht zu ersetzender Teil unserer Bildung, unseres menschlichen Daseins und Miteinanders; das wusste schon Friedrich Nietzsche, der bezogen auf die Musik feststellt: ,Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum’“, sagt sie.

Kreativ bleiben

Sie erwartet von den politischen Entscheidern bezüglich der Kulturszene keine nennenswerten Veränderungen oder gar Verbesserungen. Wenn sich hinsichtlich von Entlohnung, Wertschätzung oder auch Arbeitsbedingungen schon bei den als „sehr systemrelevant“ eingestuften Berufsgruppen wie Kranken- und Altenpflege oder Kinderbetreuung außer Lippenbekenntnissen nichts Entscheidendes bewege, was solle sich im Bereich Kultur tun, insbesondere dann, wenn Bund, Länder und Gemeinden verstärkt sparen müssen nach den Milliardenausgaben für Hilfspakete?

Dennoch ist sie zuversichtlich: Kreative seien letztlich immer kreativ und oftmals sogar besonders kreativ in Krisenzeiten. Kunst und Kultur werd es weiter geben – in welcher Form auch immer.

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