Speyer Gesichter der Kultur: Kai Kraus und Kim-Britt Eigenberger

Kai Kraus: Autor und Musiker.
Kai Kraus: Autor und Musiker.

Mit den im Internet und in Facebook vorgestellten Menschen aus der Kultur- und Veranstaltungsbranche beteiligt sich die Stadt an einer bundesweiten Initiative. Auf der Webseite gibt es die kompletten Interviews mit Kultur-Fachbereichsleiter Matthias Nowack. Die RHEINPFALZ stellt die Kulturgesichter seit Dezember ebenfalls vor.

Kai Kraus, Autor und Musiker, ist seit zwölf Jahren in der Branche. „Nicht nur bei mir selbst, sondern auch bei den Menschen, mit denen man sich unterhält, bemerkt man eine unterschiedlich ausgeprägte Stimmungsveränderung. Es vermischt sich die Sehnsucht nach Normalität mit der Sorge, sich oder andere zu infizieren“, sagt er. Dadurch, dass nun jeder stärker auf sich selbst zurückgeworfen werde, kämen andere Themen in den Fokus, was auch seine Vorteile haben könne. Er hat sich vermehrt Projekten gewidmet, die länger liegengeblieben sind, beispielsweise die Arbeit an einem neuen Roman oder das Songwriting. Dies funktioniere jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt, an dem einem der Ausgleich und die Energie fehlt, die man aus der Begegnung mit anderen ziehen könne. Als Kulturschaffender aktiv zu sein bedeute nämlich auch, seine Kunst vor Publikum zu präsentieren, und gemeinsam eine schöne, im besten Fall inspirierende Zeit zu verbringen. Online-Konzerte oder -Lesungen erzielen für ihn nicht die gleiche Wirkung. Zeiten wie diese führten uns das unerbittlich vor die Augen.

Sich gegen Krisen wappnen

Er ist durch seinen Job außerhalb der Kulturbranche finanziell nicht auf seine kreative Tätigkeit angewiesen. Daher will er sich kein Urteil über die Wirksamkeit der Hilfspakete erlauben. Es werde aber oft vergessen, dass die Veranstaltungs- und Kulturbranche ein großer, wichtiger Wirtschaftssektor sei, der nicht zuletzt dadurch gekennzeichnet ist, kulturelle Vielfalt zu schaffen und den Menschen Mut und Hoffnung zu geben.

Ohne stärkeres politisches Interesse werde sich aus seiner Sicht langfristig wenig ändern. Umso wichtiger seien Initiativen wie diese, um das Spotlight auch einmal auf diese Bühne zu werfen.

Er hofft und erwartet, dass die Politik umdenkt und der Kreativwirtschaft endlich den Platz einräumt, den sie verdiene. Wenn eine derart wichtige Branche strauchelt, sollte es eine politische Selbstverständlichkeit sein, zu unterstützen, sagt er. Vielmehr noch wünsche er sich allerdings eine Debatte, wie man die richtigen Rahmenbedingungen schaffen könne, die es den Akteuren ermögliche, sich gegen solche Krisen und immerwährende Existenzängste ein stückweit selbst zu wappnen. Andere Länder seien da schon weiter, wenn man beispielsweise an die Musikindustrie in Großbritannien denke. Dort wurde die kulturell repräsentative Strahlkraft und wirtschaftliche Bedeutung längst erkannt und werd auch politisch nicht mehr angezweifelt.

Kunst ist Kommunikation

Kim-Britt Eigenberger ist freischaffende Künstlerin und seit 16 Jahren in der Branche. Sie war auf ein arbeitsintensives Jahr 2020 mit vielen Ausstellungen und Projekten vorbereitet. Dann seien im Frühjahr gefühlt innerhalb weniger Tage sämtliche Termine abgesagt worden. „Ich war erstmal ratlos und fühlte mich leer und zeitgleich musste ich mich plötzlich völlig neuen Anforderungen im Alltag stellen. Der Wegfall von Präsentation, Austausch, Entdeckungen und Diskussionen im direkten Miteinander mit Kolleginnen und Kollegen, Betrachtern, Gästen und Freunden hat mich ein Stück weit gelähmt. Das hat mir auch nochmal besonders verdeutlicht, wie essentiell mein künstlerisches Schaffen nicht nur im eigentlichen Tun, sondern in allen dazugehörigen Facetten ist. Kunst ist für mich nicht nur Ventil und Ausdruck meiner Kreativität, sondern Kommunikation“, sagt sie.

Dabei sei ihr auch klargeworden, dass sie die Präsentation ihrer Werke und diesen persönlichen Austausch nicht völlig ins Virtuelle verlegen konnte. Sie habe sich auf die Suche nach einem Ort gemacht, wo sie ihr Schaffen und diese Kommunikation wieder leben könne. „Im Sommer 2020 bin ich dann nach intensiver Suche über die leerstehenden Räume im Industriehof gestolpert“. So seien das IndustriehofAtelier und die galerie171 entstanden. „Im Advent konnte ich dort mit einem gut funktionierenden Hygienekonzept für kurze Zeit öffnen und aktuelle Arbeiten präsentieren. Das war ganz wunderbar!“

Auch jetzt zu Beginn des Jahres sei sie erneut durch das Homeschooling ihrer beiden Töchter im Grundschulalter stark eingebunden. Die Zeitfenster, in denen sie den Impulsen für das kreative Schaffen Raum geben könne, seien aktuell wieder enorm begrenzt. „Trotzdem blicke ich positiv voraus und sehe für mich eine Weiterentwicklung in den notwendigen Anpassungen. Ich möchte der Pandemie auch weiterhin mit positiven Momenten mutig begegnen“, sagt sie.

Sie hat im Frühjahr eine Unterstützung der Kulturabteilung ihres Wohnortes Neustadt an der Weinstraße erhalten und im Dezember ein Projektstipendium aus dem Kulturhilfeprogramm der Landesregierung. „Ich bin wirklich dankbar, dass es überhaupt etwas gibt“.

Anpassung: Segen und Fluch

Es zeige sich auch in Kunst und Kultur eine drastische Beschleunigung hin zum Digitalen. „Der Mensch ist glücklicherweise – und auch bedauerlicherweise! – wahnsinnig anpassungsfähig und gewöhnt sich unglaublich schnell an neue Umgebungsbedingungen.“ Was wir heute noch „die alte Normalität“ nennen würden, werde nicht unsere „neue Normalität“ sein. „Ich bin sehr gespannt, wie dieser Umbruch mit all seinen Aspekten zukünftig einmal auch kunsthistorisch sichtbar sein wird“, sagt die Künstlerin.

Sie hat die Hoffnung, dass Politik die Relevanz von Kunst und Kultur noch sichtbarer machten und die Menschen eines Tages auch wieder ermutigen und ermuntern werde, Konzerte, Museen und Ausstellungen zu besuchen. Deshalb sei es umso wichtiger, all diese vielfältigen Orte zu bewahren, um auch zukünftig reale Begegnungen und reales Erleben möglich machen zu können.

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Kim-Britt Eigenberger: Freischaffende Künstlerin.
Kim-Britt Eigenberger: Freischaffende Künstlerin.
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