Schwetzingen Fabian Müllers Klavierabend bei den SWR Festspielen

Live in Schwetzingen: Fabian Müller.
Live in Schwetzingen: Fabian Müller.

Virtuos vorantreibendes Spiel und intime klangliche Differenzierung schließen sich bei dem Bonner Pianisten Fabian Müller nicht aus, im Gegenteil, ergänzen sie sich, wie sein beifallsumtobter Auftritt im Schwetzinger Schlosses unterstreicht.

Der beim französischen Klavier-Großmeister Pierre-Laurent Aimard ausgebildete Musiker, was auch eine Erklärung für die bei aller Wucht stets kontrollierte Farbgebung seines Spiels sein dürfte, ist in diesem Jahr beim SWR-Festival gleich mehrfach präsent, mit dem SWR Symphonieorchester ebenso wie als Kammermusiker. Bei seinem Solo-Abend stellt er der 3. Klaviersonate von Johannes Brahms die „Waldstein-Sonate“ Ludwig van Beethovens gegen über – seine Affinität zu dessen Musik unterstreicht auch die für diese Woche geplante Verleihung des Bonner Beethovenrings 2024. Geradezu kontrapunktisch setzt Müller zwischen diese beiden Brocken der Klavierliteratur György Kurtags „Splitter“ 0p 6d, Miniaturen von äußerster Verknappung, bei denen emotionale Gegensätze sich auf engsten Raum gegenüberstehen. Fabian Müller gelingt es scheinbar mühelos, die Dichte dieser Musik erfahrbar zu machen.

Dass er ein Meister der großen ebenso wie der kleinen Form ist, unterstreicht auch seine Zugabe: Das Es-Dur Intermezzo op. 117,1 von Brahms ein leicht trauerverschatteter Rückblick eines großen Komponisten, wird von dem Bonner Pianisten ebenso subtil wie bis zum letzten Takt spannungsvoll gestaltet. Das Visionär-Vorausschauende bei Brahms wie in seiner frühen f-Moll-Sonate mit ihren gewaltigen Klanggebirgen liegt Müller aber ebenso bestens in den Händen. Die gewaltigen Fortissimo-Aufschwünge geraten nie klirrig, die Kontrolle über das musikalische ebenso wie das klangliche Geschehen steht nicht im Gegensatz vom Vorantreibenden dieser Musik, die in Schwetzingen enorm spannungsvoll erklingt. Dass Robert Schumann in seinem berühmten Aufsatz „Neue Bahnen“ die frühen Sonaten von Brahms als „verschleierte Symphonien“ bezeichnet, verleitet Müller nicht, diesen Zug in Symphonische zu überzeichnen, der auch schon bei Beethovens „Waldstein“-Sonate spürbar ist. Großräumig disponierend in den gewichtigen Außensätzen, die beiden, aufeinander bezogenen langsamen Sätze zudem fein austarierend, zeigt sich der Pianist als genauer Kenner nicht nur des Frühwerks von Brahms.

In die Zukunft weisend

Ähnliches kann man auch bei der „Waldstein“-Sonate, bei Beethoven nicht nur wegen der enormen manuellen Ansprüche zukunftsweisend, sagen, deren Allegro-Kopfsatz und das ungewöhnlich weit ausholende Rondo-Finale eine kurze Überleitung (Introduzione. Adagio molto) umschließen. Hätte Beethoven seine ursprüngliche Konzeption mit einem ausführlichen Mittelstück in F-Dur – das später separat als „Andante Favori“ veröffentlicht wurde - beibehalten, hätte sich die Dimensionen für eine Sonate aus der Entstehungszeit, sie wurde 1805 in Wien gedruckt, wohl zu sehr in die Breite verschoben. Dafür weisen nicht nur die klavieristischen Mittel deutlich in die Zukunft, die den Stil der romantischen Virtuosenmusik von Chopin, Schumann oder Liszt mitgeprägt haben.

Schon vom Beginn der repetierenden C-Dur-Akkorde setzt Müller nicht einseitig auf den rhythmischen Impuls, der den Kopfsatz der Sonate prägt. Dynamische und farbliche Differenzierung bleibt bei allem kraftvoll-virtuosen Zugriff erhalten, das Blockhafte des Werkes wird in eine großräumige Anlage integriert. Der manuelle Feinschliff der Aufführung bis bin zu den auf einem modernen Steinway schwer zu gestaltenden Oktav-Glissandi des Finales steht im Dienste einer musikalischen Konzeption, die auch die beachtliche Virtuosität nicht zum Selbstzweck werden lässt.

Info

Fabian Müller ist heute Abend ab 19.30 Uhr nochmals in Schwetzingen zu erleben, diesmal mit französischer Kammermusik. www.schwetzinger-swr-festspiele.de

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