Speyer „Es geht nicht als One-Woman-Show“

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Seit Oktober steht Sandra Selg der Fraktion der Speyerer Wählergruppe (SWG) im Stadtrat vor. Die politische „Newcomerin“ ist in den ersten Sitzungen mit deutlicher Kritik an der Stadtspitze aufgefallen. Patrick Seiler hat sie zu ihrer Rolle und der der SWG in der Opposition befragt.

Frau Selg, „Hemmungen, einen echten Sparhaushalt vorzulegen“, haben Sie der Stadtspitze in Ihrer Haushaltsrede vorige Woche vorgeworfen, das „Weiter so“ beklagt. Dabei war die SWG doch bis 2014 selbst in der Regierung ...

Weiter so geht nicht – das haben wir auch während der Regierungsbeteiligung gesagt. Die finanzielle Lage ist gegenüber 2014 noch kritischer. Externe Kontrollinstanzen verschärfen zurecht ihre Kritik an der Haushaltsführung. Uns geht es um eine sachorientierte Politik, ob wir Regierung oder Opposition sind. Als kleinerer Partner in einer Koalition muss man natürlich auch Kompromisse akzeptieren. Da es jetzt eine große Koalition gibt, ist es aber umso wichtiger, im Sinne der Bürger aufzupassen, dass nicht einfach alles durchgewunken wird. War es also richtig, aus der Regierung in die Opposition zu gehen? Diese Frage stellt sich nicht. Die CDU hat entschieden, in eine große Koalition einzutreten. Wir waren bereit, die Regierungsverantwortung weiter zu tragen. Jetzt sind wir eine starke Opposition, die der „Weiter-so-Mentalität“ etwas entgegensetzt. Sicherlich ist es schwieriger, in einer großen Durchwink-Koalition die eigene Meinung durchzusetzen, aber letztlich beobachtet der Bürger sehr genau, ob eine Regierung zum Wohle der Stadt agiert und oppositionelle Meinungen integriert oder ob sie einfach ihre Politik durchsetzen möchte. Wie will die SWG aus dieser für sie lange Jahre ungewohnten Position ihren Einfluss geltend machen? Wir nehmen Einfluss, indem wir nah am Puls der Bürger sind. In unseren Mitgliederversammlungen werden viele Anliegen eingebracht und diskutiert. Wir wünschen uns, dass die Verwaltung noch stärker an die Bürger rückt und wir stehen für eine stärkere Bürgerbeteiligung, vor allem bei großen Projekten. Je schwieriger eine Sachfrage ist – Beispiel Bahnhaltepunkt Süd –, desto mehr Dialog mit den Bürgern ist erforderlich. Wie kamen Sie zur Politik? Ich bin 2009 nach Speyer gezogen und habe mich in dieser tollen Stadt schnell heimisch gefühlt. Da war es die logische Folge für mich, dass ich mich für das Gemeinwohl engagieren möchte. Martin Roßkopf hatte mich damals angesprochen, und so bin ich zur SWG gekommen. Als kommunikativer Typ freue ich mich, wenn meine Argumente durchdringen und somit etwas bewirken können. Als Neuling im Rat sind Sie dann gleich Fraktionssprecherin geworden ... Ja, ich war überrascht, dass es dazu eine so große Einigkeit in der Fraktion gab und habe dann nach einer Abstimmung mit meinem privaten Umfeld auch sehr schnell zugesagt. Welche Erfahrungen prädestinieren Sie dafür? Seit 15 Jahren arbeite ich in der IT-Branche, überwiegend in der Projekt- und Vertriebsleitung. Bei Kundenprojekten geht es immer darum, im Dialog die besten Lösungen für die Kunden zu finden, gleichzeitig aber auch die Interessen der eigenen Firma zu vertreten. Es geht stets um Interessenausgleich, um Überzeugung. Das lässt sich auf die Politik übertragen. War es schwierig, in einer laufenden Legislaturperiode als Fraktionssprecherin zu übernehmen? Ich denke, ein Neueinstieg ist immer schwierig, egal ob am Anfang, in der Mitte oder am Ende. Wichtig ist, dass ich einen starken Rückhalt bei den Mitgliedern der SWG habe, das ist sehr unterstützend. Es geht nicht als „One-Woman-Show“. Sicherlich war es eine Herausforderung, mich innerhalb kürzester Zeit in die komplexe Materie zu vertiefen, die Gepflogenheiten eines Stadtrats zu interpretieren und vieles mehr. Aber Herausforderungen sind auch etwas Schönes! Ich steige gerne ins kalte Wasser ... Wie gehen Sie damit um, wenn OB Eger für Ihre Anfragen wenig Verständnis zeigt, wie zuletzt geschehen? Ich hoffe, ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen und bleibe gelassen. Ein Oberbürgermeister hat die Verantwortung, alle Anfragen und Anträge gleich zu behandeln. Wir hätten uns teilweise ausführlichere Antworten gewünscht, manche haben wir nachträglich erhalten, und Gespräche mit der fachlichen Ebene stehen in Aussicht. Insofern sind Leitplanken gesetzt und wir arbeiten daran, dass unsere Argumente durchdringen. Wie stellt sich die SWG personell auf, nachdem es zuletzt Rücktritte gab? Einige Stadträte stehen eben aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr für das Mandat zur Verfügung. Aber die Lücken sind gefüllt, die Fraktion ist eine vielseitige, engagierte Truppe. Meine Aufgabe lautet, die Strategie zu vertiefen und natürlich eine Mannschaft für die Kommunalwahl 2019 aufzustellen, auch wenn es noch zu früh ist, um darüber konkret zu reden. Zur Person Selg (46) stammt aus Oberschwaben, lebt in Speyer-Ost und arbeitet in Mannheim in der Vertriebsleitung für den IT-Konzern IBM. Die SWG ist ihre erste Station in der Politik. Als Hobbys gibt die studierte Realschullehrerin (Kunst, Geschichte, Germanistik) Power-Yoga, Jogging und Kultur an.

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