Speyer Ein Teil der Stadt

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Obwohl in Speyer nicht mehr als mittelalterliche Anlage vorhanden, ermöglicht der nahe des heutigen Bahnhofs gelegene Judenfriedhof Rückschlüsse auf die städtische Gemeinschaft der damaligen Zeit. Darüber sprach Susanne Härtel, promovierte Geschichtswissenschaftlerin der Humboldt-Universität Berlin, in der Vortragsreihe „Mittwochabend im Stadtarchiv“.

Früher verstanden die Christen den Friedhof ihrer jüdischen Mitbürger wie eigenen Begräbnisplatz und nahmen ihn als Teil des Stadtraums wahr. Feindseligkeiten, ausgelöst durch unbegreifliche Naturereignisse, Seuchen und ungeklärte Verbrechen, richteten sich nie gegen die letzte, im jüdischen Verständnis ewige Ruhestätte. Das sei anders als heute, betonte die Referentin: „In jedem Jahr gibt es Schändungen und Angriffe auf Begräbnisstätten der Juden.“ Speyer ist trotzdem im mittelalterlichen Miteinander von Christen und Juden unrühmlich bekannt geworden. Als 1195 eine Christin ermordet aufgefunden wurde, gab man Juden die Schuld. Weil sich aber aus deren Kreis kein Täter ermitteln ließ, wurde eine kurz zuvor bestattete Jüdin aus dem Grab gezerrt und öffentlich zur Schau gestellt. Da es sich um die Tochter eines prominenten jüdischen Gelehrten handelte, ist anzunehmen, dass mit dieser Schändung die Juden insgesamt getroffen werden sollten. Der Judenfriedhof selbst wurde nicht geschändet. Jedoch wurden nach der Vertreibung jüdischer Speyerer 1353 die Grabsteine zum Teil als Baumaterial verwendet. Ein Speyerer Handwerkerstand dürfte nichts gegen jüdische Mitbürger gehabt haben: die Steinmetze. Sie verdienten an deren Beisetzungen. Steinmetze lieferten die meist aus rötlichem Sandstein besehenden Grabmale und versahen sie nach schriftlicher Vorlage mit Inschriften - ohne freilich zu verstehen, was sie da an hebräischen Buchstaben meißelten. Im Schpira-Museum sind viele dieser Grabsteine aufbewahrt. (wk)

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