Speyer Bach und die „Inseln“

Mit Johann Sebastian Bachs „Goldbergvariationen“ hat der Pianist Stephan Rahn am Sonntag im Historischen Ratssaal Speyer die von ihm geleitete Konzertreihe für zeitgenössische Musik, „Kontrapunkte“, eröffnet. Als Uraufführung waren sieben eigens von der Rumänin Violeta Dinescu komponierte Intermezzi an verschiedenen Stellen des Werkes zu hören.

Dabei spielte Rahn auf einer Art von Dinescu selbst hergestellten und mit technischer Hilfe erzeugten Klangbett. Es bestand aus jeweils mehreren übereinander gelegten, verbundenen, zurechtgeschnittenen und am Computer verfremdeten „Tapes“. Die in der rumänischen Hauptstadt Bukarest ausgebildete und seit 1982 in Deutschland lebende Komponistin unterstrich ihre Darstellung aus einem RHEINPFALZ-Interview vom 11. April: Demnach habe sie Rahns Anfrage, eine Art Komplementärstück zu Bachs „Goldbergvariationen“ zu schreiben, zunächst begeistert zugestimmt, sich dann aber gefragt, ob Bach überhaupt etwas hinzuzufügen sei. Das Ergebnis nannte sie am Sonntag „Inseln“ – „auch zum Erholen für den Pianisten Rahn“. Denn diese Stücke seien etwa eine Stunde pianistische Schwerstarbeit. Ohne den Pianisten kommen die Intermezzi nicht aus. Er setzt seine Tonlinie in das Klangfeld der abgespielten „Tapes“ hinein. Dies alles sei Bach, aber stark verfremdet, versicherten Dinescu und Rahn. Ein besonderer Reiz lag darin, dass die „Tapes“ im Raum zu wandern schienen und ihn so experimentell erforschten. Genau hingehört, ließen sich Cembaloklänge, vielleicht auch Klaviersaiten und sehr zurückgenommener Trompetenklang, und bei einem Intermezzo sogar vorher live gehörte Klaviervarianten ausmachen. Umgeben waren die „Inseln“ der Intermezzi durch die strenge Struktur der von Rahn live gespielten barocken Variationen. Das ist keine Musik, um wohlig in Klang zu baden. Das sind auch die ursprünglichen Bach-Variationen nicht – mit ihren nach strenger Ordnung zwischen die zwei Arias gesetzten 30 Variationen, die wiederum eine Ouvertüre in zwei genau gleich lange Teile trennt. Eine große Kunst muss gewesen sein, die Intermezzi an die richtigen Stellen anzupassen. Das Ziel des Konzerts hatte Rahn schon zu Beginn vorgegeben: „Wenn wir es schaffen, Hörgewohnheiten zu durchbrechen, neugierig zu machen auf vielleicht so noch nie gehörte Aspekte des Werkes, dann haben wir es richtig gemacht.“

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