Speyer Auf der Suche nach dem Ton

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Singen nach Gehör, ohne Noten und ohne Zwang, den perfekten Wohlklang zu produzieren: Dafür treffen sich Menschen im „Circle Singing“ und entdecken die Freude am Gesang neu. Die Schifferstadter Jazzsängerin Jutta Brandl leitet die Treffen. Die RHEINPFALZ hat zugehört.

Acht Frauen sind es, die sich an diesem Montagabend in der Städtischen Musikschule Speyer treffen. Sie stellen sich im Kreis auf. „Erst mal ankommen, locker werden, sich strecken, tief atmen“, empfiehlt Brandl. Dann singt sie eine kleine Melodie. Es ist ein einfaches Motiv, das sie nur mit Silben singt. Die anderen Sängerinnen hören kurz zu, dann singen sie mit – erst auf der gleichen Tonhöhe, dann singt Brandl eine Oberstimme darüber. Eine wohlklingende Harmonie bahnt sich den Weg, die sich wiederholt und langsam wandelt. Kleine Melodien sind der Ausgangspunkt bei den „Circle-Singing“-Treffen. Und praktisch jeder hat dazu etwas im Ohr – sei es der Anfang eines Kinderlieds, ein Popsong aus dem Radio oder eine eigene Idee. „Die Musik ist da, wir müssen sie nur finden“, sagt Jutta Brandl. Der wohl wichtigste Unterschied zwischen „Circle Singing“ und anderen Formen des gemeinsamen Singens ist: Es geht nicht um das Ergebnis. Es muss kein bestimmtes „Stück“ herauskommen. Es gibt keine Pflicht zum schönen Klang. Alles passiert im Moment. „Oh – grad’ war ich grottenfalsch“, sagt Brandl und lacht, weil sie ihren eigenen Einsatz versemmelt hat. Es sind keine Übungen, sondern eher Spiele, die sie den Sängerinnen vorschlägt. Gerade geht es darum, auch mit dem Rhythmus zu spielen. Der Kreis der Sänger macht gleichmäßige Schritte nach rechts, dann nach links. Gesungen hat Jutta Brandl erst in der Familie mit ihren Geschwistern, später in einer Folk-Band, in der sie auch Flöte spielte. An Musik als Beruf dachte sie erst einmal nicht und studierte Bautechnik in Kaiserslautern. Zufällig hörte jemand, wie sie am Baggerweiher zu Musik aus dem Radiorekorder sang – und dann ging alles ganz schnell. Der Jazzgitarrist Ralf Herrnkind nahm sie mit auf eine Session, vier Wochen später hatte sie ihren ersten Auftritt. Mit Gitarristin Susan Weinert und deren Mann Martin entstand das Jutta Brandl Trio. Weitere Brandl-Begleiter waren Frank Kuruc, heute Musikprofessor in Mannheim, und Klaus Wagenleiter, heute Leiter der SWR-Big Band. Brandls Musik war anspruchsvoller Vocal Jazz von Swing bis Bebop und Jazzrock. Seit 1998 lebt sie mit ihrer Familie in Schifferstadt. Hier organisiert sie den „Mittwochs Jazz“, eine Konzertreihe im Salischen Hof. In der Kulturscheune des Clubs Ebene Eins bot sie vor zwei Jahren das erste „Circle Singing“ an. Viele, die damals reingeschnuppert haben, sind dabei geblieben. Heute findet das „Circle Singing“ alle 14 Tage in der Städtischen Musikschule Speyer statt. „Ich lerne zuhören, auf das musikalische Geschehen zu reagieren und mich frei auszudrücken“, meint Ulrike Penzien, eine der Sängerinnen. „Ich habe bisher nur für mich allein gesungen und keine Erfahrung mit einem Chor. Aber hierher komme ich gern“, sagt sie. „Für mich ist es sehr entspannend, manchmal richtig meditativ“, erzählt Michaela Theobald. „Mir gefällt, dass man hier keine Leistung bringen muss“, meint Tabea Schmidt, die einige Erfahrung mit Chorsingen hat. Sie ist mit 24 Jahren die jüngste. Andere Chorsänger bestätigen, dass „Zirkelsingen“ eine ganz andere Art des Singens sei. Das „Hören lernen“ sei für sie eine sehr nützliche Erfahrung. Zum Abschluss singen alle einen Ton – jeder seinen. Erst klingt das dissonant, doch ganz langsam bildet sich ein Akkord, der harmonisch klingt und sich langsam verändert. Es gibt keine Anleitung, irgendwie scheint das von selbst zu passieren. Aus Chaos entsteht Ordnung. Am Ende wird aus den Anfangstönen ein einzelner, von allen gemeinsam gesungener Ton. Kontakt Weitere Informationen gibt es unter der Internet-Adresse www.ichsingdannmalweg.de.

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