Speyer Speyer: Seit eineinhalb Jahren auf der Straße

Schillerweg: Unter der Brücke haben sich Obdachlose einen Schlafplatz eingerichtet.
Schillerweg: Unter der Brücke haben sich Obdachlose einen Schlafplatz eingerichtet.

Sie sind in Speyer nicht allgegenwärtig, doch es gibt sie: Orte, an denen klar wird, dass hier Menschen im Freien übernachten. Regelmäßig. Für manche ist das ein selbstgewähltes Lebensmodell. Andere wollen aus der Obdachlosigkeit so schnell wie möglich raus. Der Speyerer Klaus Kuhn ist einer von ihnen.

Klaus Kuhn sitzt an einem kleinen weißen Tisch im Kiosk der Initiative Winterbus und nippt an einem Kaffee. Seine grauen Haare sind leicht zurückgekämmt. Die Kleidung, die der 62-Jährige trägt, ist sauber und wirkt neu: dunkle Jeans, roter Fleecepulli, schwarze Turnschuhe, dunkelblaue Winterjacke. Sauberkeit ist Kuhn wichtig. „Ich will nicht verdreckt herumlaufen. Dann hat man gar keine Chance“, sagt er. Seine Kleidung bekommt Kuhn regelmäßig unter anderem im Kiosk am Festplatz. Er kommt, wie andere Bedürftige auch, jeden Dienstagvormittag, wenn der Kiosk geöffnet hat, zum Plaudern, zum Aufwärmen nach einer Nacht im Freien.

"In Speyer gibt es einfach keine Wohnung"

Klaus Kuhn ist obdachlos. Früher habe er ein geregeltes Leben gehabt, eine Wohnung, einen Job als Elektroinstallateur, erzählt er. Dann sei er krank geworden. Erst habe er seine Arbeit verloren, dann das Dach über dem Kopf, weil er die Miete nicht mehr zahlen konnte. Das ist eineinhalb Jahre her. Seitdem suche er eine neue Bleibe. Doch das sei alles andere als einfach. „Alle Träger in der Stadt haben Klaus auf dem Schirm, aber eine Wohnung kann bisher keiner vermitteln“, sagt Stefan Wagner, der den Obdachlosen-Kiosk am Festplatz in diesem Jahr initiiert hat und Kuhn bei der Wohnungssuche unterstützt. Das Problem: „In Speyer gibt es einfach keine Wohnung, die für den Regelsatz des Jobcenters zu haben ist.“ Der liegt in der Domstadt bei maximal 325 Euro Kaltmiete für eine Ein-Personen-Wohnung, die höchstens 50 Quadratmeter groß sein darf. Wagner habe im Internet für Kuhn inseriert, bisher jedoch ohne Erfolg. „Wir haben nur Absagen kassiert“, berichtet er. „Eine Wohnung für 325 Euro, da lachen die Leute dich aus.“

55 Postkunden in Speyer

Die Wohncontainer in der Industriestraße, in der die Stadt Wohnungs- und Obdachlose unterbringt sind keine Option für Kuhn. „Dort gibt’s Gewalt ohne Ende, Drogen, eine Hierarchie. Da will ich nicht hin“, sagt Kuhn. Lieber campe er im Stadtgebiet. Post von Behörden wie dem Jobcenter erhält der Obdachlose über das Caritas-Zentrum. Dort ist er als „Postkunde“ registriert – das sind Menschen ohne Wohnung, die die Caritas als Anschrift angeben, um ihre Briefe zu erhalten. 55 solcher Postkunden gibt es laut Caritas-Zentrum derzeit in Speyer. War ein Kunde da, um nach seinen Briefen zu schauen, muss er das mit seiner Unterschrift bestätigen – so wird dokumentiert, wer seine Post abgeholt hat. „Ich gehe da regelmäßig hin. Das klappt gut“, sagt Kuhn.

Hygienecenter benötigt

Nicht gut sei hingegen, dass es in der Stadt kaum Möglichkeiten für Obdachlose wie ihn gebe, sich zu waschen. Um seine Körperhygiene kümmere sich Kuhn meist notgedrungen in öffentlichen Toilettenanlagen. „Was hier fehlt, ist ein Hygienecenter, wo die Leute sich und ihre Kleidung vernünftig waschen könnten“, sagt Wagner. Er habe bereits Konzepte entwickelt und bei der künftigen Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD) vorgesprochen. Im Kiosk am Festplatz gibt es eine solche Waschmöglichkeit derzeit nicht. Die Immobilie gehört der Stadt, eine sanitäre Grundausstattung sei zwar vorhanden, müsste aber ausgebaut und saniert werden. „Auch das wäre eine Möglichkeit“, sagt Wagner.

Mobile Hilfe über Feiertage

Den Kiosk öffnen er und die Handvoll ehrenamtliche Helfer einmal die Woche – vormittags, damit es nicht mit anderen Angeboten für Bedürftige kollidiert. „Um 12 Uhr öffnet die Mahlzeit. Wir wollen, dass die Leute das auch noch wahrnehmen können“, erklärt er. Dienstag, am ersten Weihnachtstag, bleibt der Kiosk allerdings geschlossen. „Wir haben uns entschlossen, über die Feiertage stattdessen die mobile Hilfe hochzufahren“, sagt Wagner. Mit ihren Privatautos wollen die Ehrenamtlichen die Obdachlosen vor Ort versorgen. Einen Sponsor für einen Bus, wie für die Aktion Winterbus eigentlich vorgesehen, sucht Wagner weiterhin. Wo Kuhn die Feiertage verbringt, weiß er noch nicht. Ein Termin ist gesetzt: „Am ersten Weihnachtstag gehe ich in den Dom, zum Pontifikalamt“, sagt er. Gottesdienste mit dem Bischof besuche er regelmäßig, auch unter dem Jahr. „Ich habe noch einen gewissen Glauben“, sagt er und lächelt. Hat er auch Hoffnung, dass er noch eine Wohnung findet? „Natürlich“, sagt Kuhn und nickt. „Die Hoffnung darf man niemals aufgeben.“

Im Kiosk am Festplatz: Klaus Kuhn (links) im Gespräch mit Stefan Wagner. Kuhn besucht den Kiosk regelmäßig.
Im Kiosk am Festplatz: Klaus Kuhn (links) im Gespräch mit Stefan Wagner. Kuhn besucht den Kiosk regelmäßig.
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