Blieskastel-Niederwürzbach Peter Hartz 80 Jahre: „Der Name ,Hartz IV’ war ein Fehler“

Mit Peter Hartz’ Namen ist Deutschlands wohl radikalste Sozialreform verbunden.
Mit Peter Hartz’ Namen ist Deutschlands wohl radikalste Sozialreform verbunden.

Als Topmanager und Arbeitsmarktreformer hat Peter Hartz Höhen und Tiefen erlebt. Tausende gerettete Jobs und die Betriebsratsaffäre bei VW - aber vor allem die nach ihm benannten Gesetze, die die SPD viele Stammwähler kosteten. Am Montag, 9. August, wird der gebürtige St. Ingberter 80 Jahre alt.

Wie sieht er sein Erbe heute? Ja, der Name „Hartz“ für die große Wirtschafts- und Sozialreform sei damals ein Fehler gewesen, sagt er jetzt in Saarbrücken. „Heute würde ich die damalige Hartz-Kommission eher Job-Kommission nennen.“ Rückblickend sei die namentliche Verknüpfung der Hartz-Gesetze I bis IV „natürlich auch eine Belastung“ gewesen.

Sein Vater war Hüttenarbeiter

Aber: „Unterm Strich kann ich sagen, die Reform ist nicht nur umstritten, sondern sie war ja sehr erfolgreich“, betont Hartz. „Ich halte sie für eine der besten Reformen. Der Erfolg ist doch sehr nachweisbar.“ Als Sohn eines Niederwürzbacher Hüttenarbeiters aufgewachsen, lebt Peter Hartz heute zurückgezogen im Nordwesten des Saarlandes. Sein Bruder Kurt (1935 - 2014) saß von 1980 bis 1999 für die SPD im saarländischen Landtag. Und sein zweiter Bruder, der Unternehmer Rudi Hartz, feierte in den 1980er- und 90er-Jahren als Manager Erfolge mit dem Handballverein TV Niederwürzbach um seinen Sohn, den Spieler Jürgen Hartz.

Seinen Geburtstag feiert Peter Hartz am 9. August daheim im Saarland mit seiner Familie. „Wegen Corona fällt die große Feier aus.“ Wie er sich zum Jubiläum fühlt? „Mir geht es gesundheitlich altersgemäß gut.“ Auch mit 80 ist er noch nicht wirklich im Ruhestand. Aktuell ist er Gründungsvorstand des Startup-Unternehmens Timefonds. Dort wird eine App entwickelt, mit der Arbeitnehmer Zeitkonten verwalten können. So könne man seine Arbeitszeiten flexibel gestalten, Zeitguthaben sammeln und dann nutzen, wenn man sie braucht.

Weltweites Saarländer-Netzwerk aufbauen

Am Herzen liegt ihm noch ein ganz anderes Projekt, das er derzeit mit der Stiftung SHS („Saarländer helfen Saarländern“) vorantreibt: die Vernetzung weltweit versprengter Saarländer, um Kontakte auch wirtschaftlich zu nutzen. „Wir sind schon in 60 Staaten fündig geworden“, sagt Peter Hartz und schätzt, dass außerhalb des Bundeslandes rund 300.000 Menschen mit Saarland-Bezug leben.

Im Juli 2021 bezogen laut Arbeitsagentur 3,9 Millionen Menschen Geld aus dem Topf, der offiziell Grundsicherung heißt, aber besser bekannt ist als Hartz IV. Abgewickelt wird das in Jobcentern, einer Einrichtung, die es ohne Peter Hartz nicht gegeben hätte. Bis heute umstritten ist die damalige Zusammenlegung der Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe zum staatlich finanzierten Arbeitslosengeld II: Wer nach einer bestimmten Zeit ohne Job aus dem Arbeitslosengeld I herausfällt, landet meist dort.

„Ich würde die Reform digital fortschreiben“

Dabei ist nur der kleinere Teil der Hartz-IV-Empfänger arbeitslos. Andere verdienen mit Teilzeitjobs so wenig, dass ihr Einkommen über die Grundsicherung aufgestockt werden muss. Trotz allem besagt eine Studie, dass Hartz IV wesentlich zur Verringerung der Arbeitslosigkeit in Deutschland beigetragen habe.

Und heute? „Ich würde die Reform fortschreiben mit den Möglichkeiten der Digitalisierung“, sagt Hartz. Die nächste Bundesregierung könne „die Reform sehr gut fortschreiben“. Zu Ex-Kanzler Gerhard Schröder habe er immer noch ein gutes Verhältnis.

Dem hatte er im Sommer 2002 als Leiter einer Expertenkommission eine „arbeitsmarktpolitische Radikalkur“ vorgeschlagen. Diese mündete in vier Reformgesetze, deren letztes als Hartz IV bekannt wurde. Damals gab es im Land 3,8 Millionen Arbeitslose; heute sind es knapp 2,6 Millionen.

Von der Dillinger Hütte zu VW

Ab 1979 hatte sich der Niederwürzbacher zunächst als Arbeitsdirektor der Dillinger Hüttenwerke einen Namen gemacht. 1993 holte ihn VW-Chef Ferdinand Piëch als Personalvorstand zum kriselnden Autokonzern. Dort entwickelte Hartz erfolgreich neue Tarif- und Arbeitszeitmodelle.

Gut zehn Jahre später musste Hartz im Nachgang der Affäre um Lustreisen des VW-Betriebsrats sowie um geheime Boni und Schmiergelder mehrfach vor Gericht. 2005 trat er zurück; 2007 wurde er wegen Untreue und Begünstigung von Betriebsräten zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt.

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