Rödersheim-Gronau Gedenken an Novemberpogrome: Bernhard Vogel zu Gast beim TV

Israel-Kenner: Bernhard Vogel.
Israel-Kenner: Bernhard Vogel.

Dass ein relativ kleiner Turnverein wie der TV Rödersheim zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome 1938 zu einer solch umfangreichen Gedenkveranstaltung einlädt, ist beachtlich. Und es hat Bernhard Vogel (CDU), ehemaliger Ministerpräsident und Israel-Kenner, beeindruckt. Er folgte der Einladung nur allzu gern.

Bereits im vergangenen Jahr hat der TV am Rödersheimer Friedhof eine Stele aufgestellt, mit der den aus Rödersheim stammenden und von den Nationalsozialisten verfolgten Juden gedacht werden soll. Zur Gedenkveranstaltung in der vollbesetzten Aussegnungshalle am Sonntag, die Norbert Amberger vom TV moderierte, sprach Bernhard Vogel (CDU), einst Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen.

Er ist ein ausgewiesener Kenner Israels, das er seit dessen Staatsgründung durch Ben Gurion 1948 sehr oft besucht habe. „Die Gründung ist auch das Resultat der Verfolgung und Vernichtung zur Zeit des Nationalsozialismus, weshalb wir aus der Geschichte heraus eine besondere Verantwortung für Israel tragen“, sagte Bernhard Vogel im Gespräch und bekannte: „Die Existenz des Staates Israel ist für uns Staatsräson.“ Die aktuellen Demonstrationen gegen Israel seien ein Ärgernis. Man müsse derzeit fest an der Seite Israels stehen. „Allerdings muss es auch möglich sein, an der aktuellen Regierung Israels Kritik zu üben“, stellte Bernhard Vogel klar. Er plädiert zur Entschärfung des Konflikts im Nahen Osten für eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem Staat Israel und einem Staat Palästina.

Bernhard Vogel lobte die Rödersheimer Gedenkveranstaltung. „Es ist außerordentlich, dass ein Verein in einem Pfälzer Dorf so eine Veranstaltung durchführt. Ich wünsche mir mehr Rödersheim in Deutschland“, sagte der 90-Jährige. Er betonte, wie wichtig die Erinnerung an den November 1938 sei. Die Reichspogromnacht sei für ihn ein Modell für den Schritt von der Diskriminierung über die Verfolgung bis hin zur Vernichtung der Juden. „Die junge Generation muss wissen, was damals geschehen ist, damit das, was damals geschah, sich niemals wiederholen kann.“ Er appellierte an die jungen Menschen, sich für die durch das Grundgesetz gesetzte Demokratie einzusetzen, „damit auch Kinder und Enkel noch in einer Demokratie und einem freiheitlichen Staat leben können“.

Auch Ortsbürgermeister Thomas Angel (FWG), Verbandsbürgermeister Stefan Veth (CDU) und Landrat Clemens Körner (CDU) kamen zu Wort: Der Landrat erinnerte an die Auswirkungen der Reichspogromnacht im Rhein-Pfalz-Kreis, als die Synagogen in Böhl, Mutterstadt und Schifferstadt zerstört wurden. Eindrücklich wurde das Leid der Juden vor 85 Jahren noch einmal in den Vorträgen von Ida Lüthje, Elias und Chiara Weber, drei junge TV-Mitglieder, beschrieben. Sie lasen zwei Zeitzeugenberichte sowie einen Brief einer Gurs-Überlebenden vor. Der Initiator der Gedenkveranstaltung, Wolfgang Ettmüller, stellte mit Flora Strauss (geborene Heim) und Karolina Schohl (geborene Reiss) zwei Schicksale von in Rödersheim geborenen Juden vor, deren Namen er bei seinen Forschungen gerade erst entdeckt habe.

Bewegend war auch das Gebet zum Gedenken an die Opfer des Holocausts, das von Jaroslaw Nechitajlo von der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz (JKGRP) auf Hebräisch und von Eberhard Dittus von der Evangelischen Kirche der Pfalz auf Deutsch vorgetragen wurde. Sie schlossen auch die jüngsten Opfer der Gewalt in Israel mit ins Gebet ein. Pfarrer Michael Hergl von der Pfarrei Heiliger Sebastian und Pfarrer Tobias Laun von den protestantischen Kirchengemeinden Dannstadt/Hochdorf-Assenheim sprachen ein Segensgebet. Die Ukrainerin Vuliia Fesenko sang in ihrer Landessprache das Lied „Gebet zu Gott“ – für das Leid der Verfolgten Juden vor 85 Jahren und der Menschen heute in Israel und der Ukraine. Weitere Musikstücke trugen das Instrumental- und Vokalensemble unter Leitung von Rudi Scholl, Hyewon Lee-Scholl am Violoncello sowie der Chor der JKGRP unter der Leitung von Inna Vashinskaja vor.

Initiator Wolfgang Ettmüller bei der Vorstellung von zwei Schicksalen gebürtiger Rödersheimer Juden.
Initiator Wolfgang Ettmüller bei der Vorstellung von zwei Schicksalen gebürtiger Rödersheimer Juden.
Ida Lüthje (vorne) sowie Elias und Chiara Weber trugen Auszüge aus Zeitzeugenberichten vor.
Ida Lüthje (vorne) sowie Elias und Chiara Weber trugen Auszüge aus Zeitzeugenberichten vor.
Ein musikalischer Beitrag kam vom Chor der Jüdischen Kultusgemeinde Rheinpfalz.
Ein musikalischer Beitrag kam vom Chor der Jüdischen Kultusgemeinde Rheinpfalz.
Die auf der Stele nachgetragenen Namen der beiden in Rödersheim geborenen Jüdinnen Karolina Schohl und Flora Strauss, die Wolfga
Die auf der Stele nachgetragenen Namen der beiden in Rödersheim geborenen Jüdinnen Karolina Schohl und Flora Strauss, die Wolfgang Ettmüller im Rahmen seiner aktuellen Forschungen neu entdeckt hat.
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