Rhein-Pfalz Kreis „Es fühlt sich einfach richtig an“

Pastoralreferentin Doris Heiner segnet den Gedenkstein. Die Flaggen Neuseelands, Großbritanniens und Kanadas wehen im Wind. Der
Pastoralreferentin Doris Heiner segnet den Gedenkstein. Die Flaggen Neuseelands, Großbritanniens und Kanadas wehen im Wind. Der Abschied von der getöteten Bomberbesatzung ist würdevoll. Limburgerhofs Bürgermeister Peter Kern (rechts) und Erik Wieman von der IG Heimatforschung begleiten den Trauerzug zur Absturzstelle (Bild unten).

«Limburgerhof.» Der britische Weltkriegsbomber Stirling EF 129 zerschellte im September 1943 bei einer großen Angriffswelle auf einem Acker in der Nähe des Kohlhofs bei Limburgerhof, getroffen von der deutschen Flugabwehr. Ein Denkmal soll nun an die sieben toten Soldaten erinnern. Zur Gedenkfeier am Samstag sind 18 Angehörige aus Großbritannien, Kanada und Neuseeland angereist. Ihnen gibt der Ort nun Gewissheit – und Frieden.

„Mein Onkel Donald Hill führte ein sehr ereignisreiches und interessantes Leben. Er war fürsorglich, abenteuerlich und hartnäckig. Ich möchte, dass Sie ein wenig über ihn und sein Leben erfahren.“ So beginnt Wendy Birch aus London ihre Rede. Sie erzählt von einem 14-Jährigen, der Laufbursche an Bord des Luxus-Kreuzfahrtschiffes Queen Mary war und dort Autogramme von Prominenten wie Marlene Dietrich und Fred Astaire sammelte. Einem mutigen jungen Mann, der sich, sobald er alt genug war, freiwillig zur Royal Air Force meldete und als Bordschütze des britischen Bombers Stirling EF 129 am 5. September 1943 mit sechs Kameraden auf einem Acker in der Nähe des Kohlhofs bei Limburgerhof den Tod fand, als das von der Flugabwehr getroffene, brennende Flugzeug zerschellte. Wendy Birch ist eine der 18 Angehörigen der Bomberbesatzung, die zur Einweihung des Gedenksteins an der Absturzstelle nach Deutschland gekommen sind. Würdevoller hätte der letzte Abschied von den Soldaten 74 Jahre nach ihrem Tod kaum sein können. Pipe Major Mackenzie führte die Angehörigen und geladene Gäste zur Absturzstelle. Vertreter aus Politik und Militär hielten Reden. Und Group Captain Roland Smith von der Royal Air Force lässt die Erinnerung an eine Nacht wieder aufleben, die Limburgerhofs Bürgermeister Peter Kern (SPD) zuvor als das größte Inferno bezeichnete, das die Stadt Ludwigshafen je erlebt hat. 605 britische Flugzeuge waren am Abend des 5. Septembers 1943 zu einer Angriffswelle gestartet, bei der große Teile Ludwigshafens und Mannheims in Schutt und Asche gebombt wurden. 127 Tote gab es in Ludwigshafen, die Schäden in Mannheim waren so verheerend, dass es keine detaillierten Aufzeichnungen über die Opfer dort gibt. 166 Tote hatte die britische Luftwaffe zu beklagen, darunter die sieben jungen Männer, die auf dem Acker beim Kohlhof starben. Die Soldaten wurden zunächst auf dem Friedhof in Limburgerhof bestattet, dann in den Soldatenfriedhof Rheinberg bei Duisburg umgebettet. Zum Andenken an die Männer hat die Gemeinde Limburgerhof den großen, von Steinmetz Hans-Jürgen Fuchs gefertigten Gedenkstein gestiftet, der nun enthüllt und von Pastoralreferentin Doris Heiner bei einer kleinen Andacht geweiht wurde. Ein Foto der Besatzungsmitglieder und die einzelnen Namen sind bereits darauf abgebildet, nun soll noch das Gruppenbild der Angehörigen dazukommen. Es war der Abschluss eines Projektes der IG Heimatforschung Rheinland-Pfalz. Erik Wieman aus Waldsee und Peter Berkel aus Schifferstadt haben Zeitzeugen befragt und so die Absturzstelle genau orten können. Mit Genehmigung des Landesdenkmalamtes haben die beiden zwei Monate lang den Acker akribisch abgesucht und rund 2000 Teile des Flugzeugs gefunden. Für die beiden Vermissten-Forscher grenzt es fast an ein Wunder, dass sie die Familien aller Besatzungsmitglieder ausfindig machen konnten und Angehörige von fünf Soldaten nun nach Limburgerhof gekommen sind. Gay, die Tochter von Leo Harris, war gerade zwei Jahre alt, als ihr Vater ums Leben kam. Sie ist mit einem Teil der Familie extra aus Neuseeland angereist. Für Valerie Renton (77) aus Yorkshire war es ein wichtiger Tag, auch wenn sie mit ihrer Tochter und deren Partner mit gemischten Gefühlen nach Deutschland gekommen ist: teils voller Trauer um den Vater, den sie kaum kannte und teils voller Glück, nun zu wissen, wo ihr Vater Reginald Renton gestorben ist. „Es fühlt sich einfach richtig an, auf diese Weise Abschied zu nehmen“, sagt sie. Viele Erinnerungen hat sie an ihren Vater nicht mehr, aber niemals wird sie den Moment vergessen, wie ihre Mutter das Telegramm mit der Todesnachricht erhielt. Elizabeth MacMillen (58) ist mit ihrer Tochter Charli aus Toronto, Kanada, zur Gedenkfeier gekommen. „Ich mache das für meinen Vater und meine Großmutter, die heute nicht mehr dabei sein können“, sagt sie und erzählt von ihrem Onkel Hugh MacMillen, einem hoffnungsvollen jungen Mann, der in den Krieg zog, um dem harten Leben eines Bergmannes zu entfliehen. In ihrer Familie habe es immer einen leeren Stuhl gegeben, nun sei er gefüllt. Hugh MacMillen war 23, als er starb, seine Großnichte Charli, heute ebenfalls 23, möchte sich nicht vorstellen, wie es ist, so jung in den Krieg ziehen zu müssen und zu sterben. Genau dieser Gedanke ist es, der Wendy Birch die Tränen in die Augen treibt und die Worte stocken lässt, als sie zum Schluss ihrer Rede über ihren Onkel Donald, der lange vor ihrer Geburt ums Leben kam, sagt: „Er war doch erst 19, als er starb“. So alt wie ihr ältester Sohn James heute ist. Wendy Birch und die anderen Angehörigen füllen ein bisschen Erde vom Acker der Absturzstelle in ein Glas als Andenken. Zuvor haben sie am Gedenkstein Blumen niedergelegt. Alle sind Erik Wieman und seinen Kollegen sehr dankbar, dass er Licht in einen Teil der Familiengeschichte gebracht hat, die 74 Jahre lang im Dunklen lag. Nun endlich wissen sie, wie und vor allem wo ihre Väter und Onkel gestorben sind.

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