Rhein-Pfalz Kreis Erst die Wohnung, dann der Job

Torsten Haß ist der neue Leiter der Gemeindebücherei Bobenheim-Roxheim. Vor rund fünf Wochen trat er die Nachfolge von Gabriele Kölling an. Der Wechsel von der Hochschulbibliothek zur Gemeindebücherei bedeutet für ihn nicht nur eine Umstellung, sondern auch viele neue Möglichkeiten.

Ungewohnt ist für den groß gewachsenen 44-Jährigen in seinem neuen Aufgabengebiet vor allem die Arbeit mit Kindern. Selbst Vater einer dreijährigen Tochter und eines erst im März geborenen Sohns, ist er jedoch direkt erfolgreich in diesen Teil seiner Arbeit eingestiegen. Beim Vorlesen für eine Klasse der Rheinschule haben die Kinder gleich drei Geschichten von ihm gefordert. In Kindern die Begeisterung für das Lesen zu wecken und damit den Zugang zu Wissen zu eröffnen, das ist eines seiner Hauptanliegen: „Alles, was man an Bildung nicht in Kinder hineinsteckt, muss man später doppelt und dreifach an Hartz IV in sie hineinbuttern.“ Eigentlich ist Haß, 1970 in Neumünster in Schleswig-Holstein geboren, wissenschaftlicher Bibliothekar. Warum er sich für diesen Beruf entschieden hat, erklärt er zum einen mit der Möglichkeit, bereits damals während des Studiums Anwärterbezüge zu erhalten. Zum anderen war und ist Bildung für alle sein größtes Anliegen. „Deutschland hat keine Ressourcen wie Bodenschätze“, sagt er, „unsere liegen in den Köpfen der Menschen. Menschen in unserem Bildungssystem sind wie Goldschürfer in Südafrika.“ Nach seinem Studium zum Diplom-Bibliothekar an der Hochschule der Medien in Stuttgart bestimmte er von 1997 bis 2014 als Leiter die Geschicke der Hochschulbibliothek in Kehl. Er leitete auch 2009 deren Umbau und Aufstockung, war vier Jahre Pressereferent der Hochschule, war für das Internetradio derselben verantwortlich und schrieb als freier Mitarbeiter für die „Mittelbadische Presse“. Als die Schwiegereltern ihm und seiner Frau eine „attraktive Immobilien-Option in Eppelheim“ anboten, griffen sie zu. Torsten Haß sah seine Chance, sich mit dem Umzug auch beruflich zu verändern – und bewarb sich in der Metropolregion Rhein-Neckar. „Erst kam die Wohnung und dann der Job“, berichtet er. Und den bekam er schließlich in Bobenheim-Roxheim. Gabriele Kölling konnte ihren Nachfolger selbst nicht mehr einarbeiten, weil sie bereits ihre neue Stelle als stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei Frankenthal angetreten hatte. „Die Unterstützung und Einarbeitung durch die Mitarbeiter hier war klasse, sonst hätte ich das alles nicht so ohne Weiteres geschafft“, lobt Haß sein Team. Neben einem Betriebsausflug nach Mainz hat dies dafür gesorgt, dass er gleich richtig in der Pfalz ankam. Haß strahlt Ruhe aus. Der Mann mit leicht ergrauten Haaren und Dreitagebart möchte in seiner neuen Position erst einmal beobachten, anstatt zu rasch Veränderungen herbeizuführen. An Ideen mangelt es ihm jedoch nicht: ein erweitertes Angebot für Senioren beispielsweise, die verstärkte Einbindung der älteren Mitbürger als Kunden und auch als Mitarbeiter. „Wir müssen der demografischen Entwicklung gerecht werden“, sagt er. Und ein kommunaler Webblog, auf dem die Gemeinde, Vereine und die Bücherei Beiträge schreiben und andere an Neuigkeiten teilhaben lassen können, schwebt ihm vor. Mit seinen Mitarbeitern überlegt Haß auch, ob es sinnvoll wäre, die Bücherei auf die sogenannte Funkfrequenz-Identifizierung (RFID) umzustellen. Das ist ein System, bei dem über Terminals die Ausleihe vollautomatisch durch die Kunden selbst vorgenommen werden kann. Das hatte er bereits für die Hochschulbibliothek in Kehl eingeführt. Er ist sich aber nicht sicher, ob der Bestand in Bobenheim-Roxheim dafür nicht zu klein ist. Darüber hinaus wäre die Umstellung mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Erst einmal arbeitet sich Torsten Haß mit Erfolg durch das bereits vorhandene System der Bücherei. Und liest die Bücher selbst. Natürlich nicht alle. Aber auch in seiner Freizeit liest er viel, am liebsten Fachbücher. Dabei hört er klassische Musik, weil ihn Musik ohne Text nicht vom Lesen ablenkt. Sonst hört er gerne den Radiosender SWR 3, die Hitliste rauf und runter. Sehr wichtig ist ihm auch, viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Und seine Kinder bekommen natürlich jeden Abend etwas vom Papa vorgelesen. (khö)

x