Pirmasens Von Woche zu Woche:

Seit wenigen Tagen prangt an den Ortseingängen von Niedersimten ein Schild mit der Aufschrift „Die vergessene Region“ plus die Forderung nach einer Umgehung. Bestimmte Fehler werden eben immer gerne wiederholt. So wie ganz Pirmasens immer noch unter der Kampagne mit der „verratenen Region“ zu leiden hat, so wollen die Niedersimter jetzt ihr Image aufbauen als die Vergessenen oder vielleicht auch als Tal der Abgehängten, Verlierer vom Dienst oder was sonst noch der Baukasten für gelungene Minderwertigkeitskomplexe hergeben könnte. Bei der Diskussion über den Ausbau der B 10 kam ganz kurz auch wieder der Slogan von der vergessenen Region auf. Den hat glücklicherweise Oberbürgermeister Bernhard Matheis schnell abgebügelt. Bei der aktuellen Stadtführung ist die Erkenntnis vorhanden, dass solche Kampagnen mehr schaden als nutzen. Ein Glück, dass die Schilder in Niedersimten erst jetzt aufgetaucht sind. Hätte das Spiegel-TV-Team das gesehen, es hätte perfekt in den Beitrag gepasst. Besagter Spiegel-TV-Beitrag hat den Blick verstellt für viele andere Berichte, in denen Pirmasens in jüngster Vergangenheit aufgetaucht ist. Und die waren so gar nicht negativ. Da wäre beispielsweise der Berliner Tagesspiegel, der im April seitenlang über die enormen Preissteigerungen auf dem deutschen Mietwohnungsmarkt lamentiert. Überall wird es teuer, nur in Pirmasens herrscht das Mieterglück. Die billigsten Städte für Mieter in Deutschland sind Wunsiedel in Bayern mit einem Quadratmeterpreis von 4,21 Euro, gefolgt vom ebenfalls bayerischen Tirschenreuth mit 4,35 Euro und dann kommt schon Pirmasens mit 4,36 Euro pro Quadratmeter Mietwohnfläche. Wer hier wohnt, hat mehr Geld für anderes im Leben. Eine positive Sache also. In die Überschrift hat es Pirmasens in der linksalternativen Tageszeitung (taz) im Januar geschafft. „Billig geht nur in Pirmasens“ heißt es da und es geht wieder um Immobilien, diesmal um Eigenheime. Der taz-Redakteur rechnet vor, dass in Pirmasens ein Hartz-IV-Empfänger sich rein theoretisch ein Eigenheim finanzieren könnte, bei den niedrigen Zinsen und billigen Hauspreisen. Zum Glück nur rein theoretisch. Nicht auszudenken für den Stadtsäckel, wenn alle Hartz-IV-Empfänger mit Eigenheimträumen sich gen Pirmasens aufmachten. Der billige Wohnraum kann tatsächlich Basis für einen neuen Aufschwung in der Stadt werden. Als Beispiel dafür kann das Tessin genommen werden. Dort hat sich bekanntlich einst der Pirmasenser Hugo Ball als bettelarmer Schriftsteller und Religionswissenschaftler mit seiner Frau niedergelassen, weil das Tessin zu der Zeit der weit und breit billigste Landstrich war. Ähnliche Motive hatten die Aussteiger am Monte Verità, die dort Kunst- und Sozialgeschichte schrieben. Wer heute im Tessin billig leben will, hat Pech. Nach den Künstlern kamen wie immer die kulturell interessierten Besserverdienenden und die Villa im Tessin kann sich heute kaum noch ein Normalsterblicher leisten. Ein Indiz dafür ist eine Dame vom Starnberger See, die seit vergangener Woche in Pirmasens auf der Suche nach einem neuen Domizil ist. Der Starnberger See sei ihr zu teuer geworden und Pirmasens gefällt der Dame aus Bayern gar prächtig. Eine Äußerung, die ihr in Pirmasens reichlich ungläubige Gesichter eingebracht hat. Die Pirmasenser sind eben noch sehr stark von Kampagnen wie der verratenen Region geprägt. | Klaus Kadel-Magin

x