Pirmasens Von Woche zu Woche:

Deutschland hat eine repräsentative Demokratie. Die Repräsentanten werden von den Parteien ausgesucht und vom Volk gewählt. So weit, so gut, das System hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Aber dieses System hat nun dazu geführt, dass die Sozialdemokraten in den beiden größeren Städten der Südwestpfalz, Pirmasens und Zweibrücken, keine Abgeordneten mehr im Mainzer Landtag stellen. Aber gerade Pirmasens und Zweibrücken, zwei Städte, die vor der Pleite stehen, hätten es nötig, dass ein Genosse in Mainz in die Landespolitik eingebunden ist und immer und immer wieder auf die prekäre Lage der Region hinweist. Die CDU-Abgeordneten können das nur bedingt, solange sie nicht mitregieren. Was tun? Über den Direktkandidaten entscheidet der Wähler, da ist die Partei außen vor. Aber über den Listenplatz nimmt eine Partei sehr wohl Einfluss darauf, wer in den Landtag kommt. Der Pirmasenser SPD fehlt in dieser Beziehung seit längerer Zeit eine Lobby. Schon Norbert Stretz war nicht abgesichert auf der Liste, obwohl der Wahlkreis Pirmasens/Rodalben kaum direkt zu gewinnen war, jetzt schaffte es auch Edeltraut Buser-Hussong nicht von der Liste in den Landtag. Es wäre ein Stück Wertschätzung der Landes-SPD für die schwierige Situation der Stadt, wenn ein Sozialdemokrat aus Pirmasens wieder die Chance bekäme, über die Liste in den Landtag gewählt zu werden. Und es wäre ein Zeichen von Solidarität. Allerdings erhebt auch kein Sozialdemokrat aus der Stadt seine Stimme, um diese Solidarität einzufordern. Das Internet macht das Leben schneller. Ein Wettrennen lieferten sich diese Woche die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Glöckner und das Presseamt der Stadtverwaltung. Eindeutiger Sieger mit fast 20 Stunden Vorsprung: Glöckner. Und das kam so: Am Montagabend hat Dezernent Michael Schieler in Berlin einen Förderbescheid über 50.000 Euro für den Breitbandausbau entgegengenommen. Schon am frühen Nachmittag, um 14.03 Uhr, erreichte uns per Email die entsprechende Pressemitteilung aus dem Büro Glöckner. Am nächsten Morgen stand die Nachricht mit den 50.000 Euro in der Zeitung. Besagte fast 20 Stunden später, am Dienstagmorgen um 9.45 Uhr, meldete sich dann auch das Presseamt der Stadtverwaltung und teilte uns mit, was wir bereits wussten und berichtet hatten. Angelika Glöckner wird’s gefreut haben, dass sie als Quelle für die gute Nachricht aus Berlin genannt wurde. Und Michael Schieler wird’s verschmerzen. Sich über so etwas zu ärgern, dazu ist er nicht eitel genug. Bei der ganzen Wahl- und Wahlkampfberichterstattung der vergangenen Wochen ist eine Meldung auf dem Schreibtisch liegen geblieben: Profine zählt zu den besten Arbeitgebern Deutschlands. Das jedenfalls will die Zeitschrift Focus in Zusammenarbeit mit Internetportalen ermittelt haben. Bei aller Skepsis gegenüber solchen Vergleichen, ein nettes Kompliment für Profine ist dies allemal. Zumal es Jahre beim Profilehersteller gab, in denen Beschäftigte und Geschäftsführung eher über Kreuz lagen. Bürgerprotest kann etwas bewegen. Das haben die B-10-Ausbaubefürworter aus der Südwestpfalz gezeigt. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, auf „die da oben“ zu schimpfen und aus Unmut rechtspopulistische Parteien zu wählen, die auch nichts bewirken, haben Männer und Frauen aus der Region ihr Schicksal selbst in die Hand genommen, der Landesregierung in Mainz die Stirn geboten – und erreicht, dass der vierspurige Ausbau der B 10 schneller voran geht als erwartet. Kompliment! Bleiben wir bei der B 10. Dass die Landesregierung ziemlich tollpatschig mit dem Ausbau der Bundesstraße umgegangen ist, dürfte mitentscheidend gewesen sein für das schlechte Abschneiden der SPD-Direktkandidaten Edeltraut Buser-Hussong und Alexander Fuhr. Buser-Hussong konnte nichts dafür, aber Fuhr hat die Wähler für dumm verkaufen wollen. In der Südwestpfalz bekannte er sich zum vierspurigen Ausbau, in Mainz – dort ist er immerhin stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD – spielte er das Verzögerungs- und Verhinderungsspielchen bereitwillig mit. Und siehe da, der Wähler ist nicht dumm... In dieser Woche benahm sich Fuhr wie ein beleidigtes Kind und meckerte, dass nicht der gesamte vierstreifige Ausbau der B 10 höchste Dringlichkeit genießt; dass der Bund also schuld sei, dass vor 2030 an der Tunnelstrecke bei Annweiler nichts passiert; und dass noch offen sei, ob Berlin überhaupt genug Geld für den Ausbau zur Verfügung stellt. Mit Verlaub, Herr Fuhr, das Bundesverkehrsministerium in Berlin hat für den Ausbau der B 10 mehr getan als die Landesregierung in Mainz je tun wollte. Ein bisschen mehr Demut täte deshalb gut. So wie Fuhr hat auch Oberbürgermeister Bernhard Matheis die Niederlage noch nicht verdaut. Dass er in Pirmasens bleiben muss statt in der Mainzer Staatskanzlei Platz nehmen zu dürfen, nagt an dem 60-Jährigen, die Wunde sitzt tief. In dieser Woche gab er sich ungewöhnlich emotional und geißelte mehrfach die von „Ideologie getriebene Politik“ der Landesregierung im Bereich Infrastruktur im Allgemeinen und bei der B 10 im Besonderen. Fakten sollten die Politik bestimmen, nicht die Ideologie, meinte er. Nur: Spätestens bei der Bewertung der Fakten kommt es wieder auf den Standpunkt an, auf persönliche Einstellungen, auf Werte, auf die Weltanschauung – also doch auf die Ideologie.

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