Pirmasens Liebe, Schnaps und Tod

In dem poetischen Konzert „Carl Michael Bellmann nachgehört“ stellt sich Fred G. Schütz (Foto) zusammen mit Karl Friedrich Brode
In dem poetischen Konzert »Carl Michael Bellmann nachgehört« stellt sich Fred G. Schütz (Foto) zusammen mit Karl Friedrich Broderix dem Vinninger Publikum von einer bislang eher unbekannten Seite vor.

Fred G. Schütz, bekannter „Storytellers“-Gitarrist, und Karl Friedrich Broderix verehren den schwedischen Poeten Carl Michael Bellmann (1740-1795). Sie nehmen dessen Lieder und Texte, Songs von Bob Dylan und auch andere Gedichte, um einen tiefsinnigen Abend zu kreieren, der angenehm anspruchsvoll aber nicht abgehoben wirkt. Der gefällt dem Publikum ausnehmend gut im proppenvollen Konzertsaal der alten Scheune im Vinninger Haus am Lindenbrunnen, wo das Duo am Samstagabend auftrat.

Es geht um Liebe, Schnaps und Tod, erklären die Musiker gleich zu Beginn, und stellen ihrem Publikum Carl Friedrich Bellmann vor, der zu Landgraf Ludwigs Zeiten lebte und das Leben, die Frauen und den Alkohol liebte. Im Laufe des Abends lernt das Publikum den schwedischen Komponisten, Liedermacher und Poeten immer besser kennen, der nicht nur Formen annimmt, weil sein Gemälde in Gold gerahmt hinter den Musikern an der Wand hängt. Auch von den Musikern erfährt man so einiges, denn das Private schimmert kräftig durch die Musik und die Gedichte hindurch. Schütz und Broderix erzählen und singen von den Ängsten und Leidenschaften Bellmanns, dessen Werk am Samstag auf Songs von Bob Dylan und persönliche Werke von Broderix und Schütz trifft. Auf der Bühne ist viel Bewegung, denn die Musiker wechseln sich mit ihrem Auftritt ab. Einer steht vorne mit Gitarre, während der andere an einem Sekretär die Stellung hält. Es ist schon ein eigenwilliger Mix, wenn man Songs wie „Tomorrow Is A Long Time“ und „Just Like A Women“ abwechselnd mit „Freidas Moinds in Fronkfoat Siddi“, „Heid Nacht“ und „Lila Beasche“ hört, um kurz darauf wieder eine Zeitreise in Bellmanns Zeiten zu machen, in dessen Leben es von Göttern, Geistern und Nymphen nur so wimmelt. Dazu kommen Gedichte von Schütz, die erst kürzlich in einem Urlaub im bretonischen Saint Malo entstanden sind. Virtuos spielen beide Musiker auf der Gitarre, identisch gekleidet mit weißem Hemd und schwarzem Gillet. Doch während Schütz mit rauchig-tiefer Stimme in die Texte Dylans eintaucht, ist Broderix Stimme das Gegenteil. Weich und einfühlsam, aber klar und kompakt könnte man sie beschreiben. Mit dem Mix aus Deutsch, Englisch und Bärmasenserisch geht es auch sprachlich turbulent zu. Die beiden Musiker sind seit Jugendtagen befreundet, treten aber am Samstag zum ersten Mal gemeinsam auf. Den Eindruck hat niemand gewonnen, denn die beiden scheinen musikalisch so vertraut, als ob sie schon seit Ewigkeiten gemeinsam auf der Bühne stünden. Das ist wohl ihrer Professionalität geschuldet. Dabei lebt Broderix in München und kann den Leidensdruck des Heimwehs von dort aus doch ganz gut ertragen, wie er es formuliert. Von außerhalb sind dann auch noch mehr Freunde und Bekannte gekommen, um das einmalige Duo bei ihrem poetischen Konzert „Carl Michael Bellmann nachgehört“ zu erleben. Besonders gut gefällt dem Publikum „Ein Lied über die Fischerei“ von Bellmann, das von Göttern, Naturbetrachtungen und seiner Geliebten handelt. Den Moment kann man nicht festhalten, ist der Tenor des Liedes. Deswegen sei auch im schönsten Moment ein tiefer Grundton drin, der nicht passt, oder vielleicht gerade doch, erläutert Broderix. An wen am Samstag auch immer wieder von den beiden erinnert wird, ist die verstorbene Maria Schwartz, die aus dem ehemaligen Heuschober eine Konzertbühne gemacht hatte. Auf sie trinken Schütz und Broderix immer wieder und fordern ihr Publikum auf, es ihnen gleichzutun. Feiern und Trinken, Romantik, Einsamkeit, aber auch Liebe, Tod, Märchen und Herbst sind Schlagworte des poetischen Konzerts. Und die beschäftigten Bellmann im 18. Jahrhundert genauso wie uns heute. Das sei die eigentliche Botschaft des Abends: Dass es nichts Neues unter der Sonne gibt, eröffnen die Musiker im Finale. Alles war schon mal da und: Das Ende ist der Anfang. Dramaturgisch belegen das die beiden Musiker, indem sie das Konzert mit dem Titel enden lassen, mit dem es begann. Als Rausschmeißer, wie sie das letzte Lied nennen, singen sie „Nun troll’n wir uns“, für das sie eigens Kopien im Saal verteilen, damit das Publikum mit einstimmen konnte. Und das tut es dann auch frohgemut. Trotz des Refrains: „Scheint das Grab tief und dumpf sein Druck, allahop, so nimm noch einen Schluck! Und noch einen hinterher und noch ein, zwei, dreie mehr! Dann fällt das Sterben dir nicht so schwer.“ Das Publikum ist begeistert. Applaus und Bravorufe bezeugen das. Schütz und Broderix selbst scheinen überwältigt und beseelt durch das gemeinsame Konzert, das still und sehr tiefsinnig daherkommt. Am Samstag lernt das Vinninger Publikum nicht nur Carl Michael Bellmann kennen, sondern auch den vermeintlich gut bekannten Fred G. Schütz von einer anderen Seite, von der das Publikum sicher gerne mehr hören würde.

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