Pirmasens Klassiker mit neuer Sprengkraft

König Blutwurst (Thomas Kölsch) mit seiner intriganten, kaltherzigen Gattin (Felix S. Felix) und dem Hauptmann (Laura Kaiser).
König Blutwurst (Thomas Kölsch) mit seiner intriganten, kaltherzigen Gattin (Felix S. Felix) und dem Hauptmann (Laura Kaiser).

„König Blutwurst I.“ besteigt am Freitag seinen Thron im Herxheimer Chawwerusch-Theater. Er ist Regisseur Walter Menzlaws Pfälzer Klon jenes legendären „König Ubu“, mit dem der französische Schriftsteller Alfred Jarry vor mehr als 100 Jahren für Furore sorgte. Was Alfred Jarry 1896 als freche Paukersatire und Kasperletheater geschrieben hat, erweise sich heute als kühne Prophezeiung, sagt Menzlaw. Darin sei fratzenhaft verzerrt die Geschichte des 21. Jahrhunderts als Farce vorhergesagt. So hat das Chawwerusch-Theater auch das Plakat dadaistisch als Collage aus Einzelporträts wohlbekannter Populisten zusammenfügt ist: Da passt die Locke von Donald Trump zur Geheimratsecke von Gauland und dem Auge Putins. Im Stück ist König Ubu ein gefährliches, gefräßiges, machtgeiles, zugleich sorglos naives und ziemlich feiges Riesenkind, das ohne Rücksicht auf Verluste seinen Gelüsten frönt. Wer im Weg steht, wird ausradiert oder umerzogen. Aus dem sicheren Hinterhalt macht ihm das Morden richtig Spaß. So regiert er mit Kneifschwein und Enthirnungsmaschine, um Steuergelder direkt in die Errichtung gigantischer Blutwurstdepots investieren zu können. Die vielen Rollen des Originaltextes hat Regisseur Walter Menzlaw in seiner zugespitzten Fassung auf drei Hauptpersonen fokussiert: Er stellt König Blutwurst (Thomas Kölsch) nur dessen intrigante, kaltherzige Gattin (Felix S. Felix) zur Seite und den Hauptmann (Laura Kaiser), der den Überblick behält über das wirre „geheim kommunizierendes Rohrinstallationsanlagesystem“, das zugleich die Kulisse bildet. Bevor die Schauspieler selbst von ihrer Probearbeit erzählen können, müssen sie tief durchatmen. Denn die von Jan Fröhlich und Cansu Incesu in genialer Schnoddrigkeit aus dem Fundus zusammengewürfelten Kostüme sind für Zuschauer und Träger atemberaubend. Kölschs Fatsuit hat nicht nur die Wirkung einer Sauna, es macht auch jede Bewegung zu eine Sportübung. Die Masse erzwinge – kaschiert unter einem purpurnen Mantel – eine tapsige Trägheit, die den Gegenpol zur gnadenlosen Skrupellosigkeit bildet, sagt der Darsteller. An der Leine geführt wird das selbstgefällige Monster von seiner Frau. Felix darf sich in einem langen Glitzerkleid mit billiger Federboa räkeln, muss dabei aber unter ihrer Hochfrisur, die aussieht, als sei sie von Motten zerfressen, Balance halten. Ihr Rücken sei von den Proben schon etwas malträtiert worden, erzählt die Schauspielerin. Der Hauptmann unter seinem Napoleonhut ist der zierlichste der drei. Die Landauer Schauspielerin Laura Kaiser liebt diese Hosenrolle, mit der sie ihren Einstand beim Chawwerusch-Theater feiert. Überhaupt findet sie das ganze Stück genial. „Man hat total Spaß an diesen überdrehten Figuren und würde am liebsten immer noch eins drauflegen.“ Aber sie dürfe die Botschaft nicht der Lächerlichkeit preis geben. Die junge Schauspielerin, die schon oft bei der „Kleinen Bühne“ in Landau auftrat, hat 2015 ihr Studium an der Theaterakademie in Mannheim abgeschlossen und steht derzeit auch als Gretel in der „Faust“-Inszenierung des Schwetzinger Theaters „Am Puls“ auf der Bühne. Termine —„König Blutwurst“ im Chawwerusch Herxheim, die nächsten Vorstellungen, für die es noch Karten gibt, sind am 22. und 23. Februar, 1., 2. und 3. März, freitags und samstags 20 Uhr, sonntags 19 Uhr. —Als Freilichtaufführung auf der Burg Altdahn ist „König Blutwurst I.“ am Sonntag, 1. Juni, 20 Uhr, zu erleben. Dafür gibt es Karten für 19 Euro in der Tourist-Information Dahner Felsenland, Telefon 06391/9196-222, www.dahner-felsenland.net; www.reservix.de.

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