Pirmasens Kinderärzte schlagen Alarm: „Ein Winter ohne Antibiotikum ist eben sehr schwierig“

Viele Kinderazrtpraxen arbeiten momentan am Limit.
Viele Kinderazrtpraxen arbeiten momentan am Limit.

Covid-19, Grippe und RS-Virus: Aktuell sind viele Menschen krank, vor allem Kinder. Die Erkältungswelle hat in diesem Jahr früher eingesetzt, als wir es gewohnt sind. Während Kinderärzte und Krankenhäuser ordentlich zu tun haben, fehlt es gleichzeitig an Medikamenten. Zur Lage in Pirmasens hat sich die RHEINPFALZ bei hiesigen Pädiatern umgehört.

Am Städtischen Krankenhaus Pirmasens werden derzeit außergewöhnlich viele Säuglinge und Kleinkinder mit dem sogenannten RS-Virus behandelt. Die knapp 30 Plätze auf der Kinderstation sind aktuell nahezu komplett belegt. Einen Aufnahmestopp hat es in der Kinderklinik bislang noch nicht gegeben, dennoch kommen Ärzte und Krankenschwestern an ihre Grenzen. „RS-Virus steht für Respiratorisches-Syncytial-Virus. Es befällt vor allem die Atemwege und verursacht eine laufende Nase, Fieber, Husten und Keuchatmung. Es kann auch Bronchien und Lunge befallen. Die Ansteckung erfolgt meist über Tröpfcheninfektion, aber auch auf Oberflächen hält sich das Virus“, erklärt Hans-Georg Kläber, Chefarzt an der Klinik für Kinder und Jugendmedizin in Pirmasens.

Von der Viruswelle betroffen seien vor allem Säuglinge und Kleinkinder bis zum zweiten Lebensjahr. Ein Infekt mit RS-Viren bei älteren Kindern und Erwachsenen verläuft laut Kläber meist glimpflich „Je jünger die Kinder sind, desto schwerer sind sie zu behandeln. Bereits im vergangenes Jahr hatten wir eine sehr starke RS-Welle, aber in diesem Jahr wirken die Kleinen noch eine Spur kränker. Einige müssen sogar Sauerstoff bekommen“, erklärt er weiter. Ängste schüren wolle er nicht, betont der Chefarzt. Dennoch rät er Eltern, frühzeitig einen Kinderarzt aufzusuchen, falls der Nachwuchs RS-typische Symptome aufweist. Eltern mit mehreren Kindern gibt der Mediziner den Tipp, im Falle einer Erkrankung eines älteren Kindes strengstens auf die Hygiene zuhause zu achten und es von Säuglingen räumlich zu trennen.

Infektionswelle trifft viele Kinder unvorbereitet

Dass die aktuelle Infektionswelle viele Kinder unvorbereitet trifft, sagt die Kinderärztin Ursula Zinßius. Schuld seien die Schutzmaßnahmen seit Beginn der Pandemie. „Mit all den Maßnahmen konnten die Kinder ihre Abwehr nicht trainieren, was aber dringend notwendig ist. Seit 2020 sind damit die sonst üblichen Infekt-Wellen so gut wie ganz ausgeblieben“, sagt Zinßius. Viel zu tun war die vergangenen Tage und Wochen auch in der Kinderarztpraxis von Tamir Biran. „Diese Infektionswelle kann noch bis zu Ostern dauern. Vor Kurzem hatten wir an einem Montag 250 kleine Patienten gesehen, das war schon immens und mein Team und ich waren am Limit. Es sind vor allem Infekte der oberen Atemwege, die die Kinder haben. Nicht nur das RS-Virus, sondern auch die Influenza oder Rhinoviren“, so Biran. Teilweise seien die Infektionen so schlimm gewesen, dass er vor allem drei bis sechs Wochen alte Kinder habe ins Krankenhaus schicken müssen. „Dort ist derzeit aber so viel zu tun, dass ich je nach Zustand versuchen muss, die Kinder ambulant zu behandeln. Sie werden dann jeden Tag bei mir vorstellig“, erzählt der Kinderarzt weiter.

Von ehemals vier Ärzten, die in der Praxis von Biran angestellt waren, gibt es momentan nur noch zwei, was die Arbeit derzeit zusätzlich erschwere. Neben dem Ärztemangel, der auch die hiesigen Kinderärzte umtreibt, nennt Biran mit dem Mangel an Medikamenten aber auch eine ganz andere Herausforderung, die ihn und die Eltern kranker Kinder beschäftigt. „Fiebersäfte, Antibiotika, Medikamente gegen Durchfall oder einfache Sachen zur Inhalation sind derzeit nur begrenzt verfügbar. Mit der Apotheke hier bei uns im Medicenter schließe ich mich jeden Tag kurz, damit ich weiß, was ich verschreiben kann und was nicht“, berichtet der Kinderarzt weiter. In seiner Praxis habe es schon Eltern gegeben, die drei bis vier Apotheken aufgesucht hätten und trotzdem ohne Medikament verzweifelt in seine Praxis zurückgekommen seien. „Das alles verkompliziert die derzeitige Situation nur noch mehr. Ein Winter ohne Antibiotikum ist eben sehr schwierig“, sagt Biran.

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