Pirmasens „Ich will mich in keiner Weise festlegen“

Zuletzt konnte man den Speyerer Pianisten Stephan Rahn zusammen mit der Geigerin Pia Grutschus im November bei der Pirmasenser Fabrikmusik im Neufferanum hören. Am Sonntag kommt er nun mit einem Soloprogramm überwiegend romantischer Klavierwerke ab 18 Uhr in die Alte Post. Unser Mitarbeiter Fred G. Schütz unterhielt sich mit dem profilierten und vielseitigen Musiker über zeitgenössische Musik, sein Selbstverständnis als Musiker und die Bedingungen, auch wirtschaftlich bestehen zu können.

Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation von Berufsmusikern ein? Gibt es genug zu tun?

Es gibt ja dieses Klischee vom Künstler, dass er bis 12 Uhr schläft und dann hin und wieder ein Konzert spielt. So funktioniert das nicht, man muss schon Disziplin aufbringen und sich den Tag sehr gut einteilen, was die Vorbereitung von Konzerten betrifft und auch die Akquise. Wenn man da sehr aktiv und gewissenhaft ist, dann ist es möglich, auch als selbständiger Musiker gut zu leben. Zudem habe ich das für mich so gelöst, dass ich mich musikalisch sehr breit aufgestellt habe. Da ist auf der einen Seite die pianistische Tätigkeit als Solist, Kammermusiker und Liedbegleiter. Und dann kommt noch der Bereich des Kulturmanagements dazu. Ich organisiere seit einigen Jahren in Speyer eine Konzertreihe für zeitgenössische Musik. Außerdem gibt es eine Sache, zu der ich durch Zufall gekommen bin – seit mehreren Jahren reise ich für das Goethe-Institut in viele Länder, als eine Art Kulturbotschafter. Und es gibt noch einen weiteren Bereich, der ein wenig mit meiner Kindheit zu tun hat. Ich bin mit Kirchenmusik groß geworden am Speyerer Dom, und das habe ich mir erhalten und unterhalte ein Duo für Trompete und Orgel mit dem Trompeter des Berliner Konzerthausorchesters, Stephan Stadtfeld. Also: Neben dieser Disziplin und den kaufmännischen Fähigkeiten ist es diese breite Aufstellung, die es mir ermöglich, als Musiker zu überleben. Bereitet die universitäre Ausbildung die Musiker eigentlich gut genug auf das spätere Berufsleben vor, oder ist das immer noch ein bisschen Elfenbeinturm? Wenn ich auf mein eigenes Studium sehe, dann muss ich schon sagen, dass es viele Versäumnisse gegeben hat, was die Realität des Musikerlebens betrifft. Aber aktuell gibt es an den Hochschulen schon viele positive Tendenzen, die die jungen Leute darauf vorbereiten möchten, sich nach dem Studium auch organisatorisch gut aufzustellen bei solche Themen wie, wie kontaktiere ich Konzertveranstalter oder Agenturen. Aber da besteht nach wie vor noch ein ganz großer Bedarf, denn das Studium, wie ich es erlebt habe, war sehr inhaltlich ausgerichtet. Die Qualität, mit der man ein Instrument beherrscht, ist ja keine Garantie, dass man damit später auch Erfolg haben wird. Sie sind auch sehr stark an zeitgenössischer Musik interessiert, Sie waren zum Beispiel auch in Karlsruhe, wo Wolfgang Rihm lehrt, War das von Bedeutung für Sie? Der Auslöser für dieses Interesse an zeitgenössischer Musik war damals in Berlin, als ich mit der klassisch-romantischen Klavier-Literatur rauf und runter versorgt worden bin – und trotzdem war da ein Mangel spürbar. Dann bin ich in die Hörstunden für Neue Musik von Jörg Mainka gegangen – das war meine erste große Begegnung mit der Neuen Musik, und das hat mich von Beginn an fasziniert. Später habe ich für mich gesagt, Neue Musik einfach so abzulehnen, das ist keine gute Einstellung, zumal es ja die Musik meiner Generation ist. Wie schätzen Sie die Neue Musik derzeit ein, wo fühlen Sie sich zuhause? Die Musik des 20. und mehr noch des 21. Jahrhunderts ist ja durch einen ungeheuren Stil-Pluralismus geprägt. Mein Anliegen in Speyer mit diesen Konzerten ist es ja auch, diese Vielfältigkeit – für viele überraschende vielfältig – zu präsentieren. Was das angeht, möchte ich mich in keiner Weise festlegen, das ist eher so eine unglaubliche Neugier bei mir, nach allem was da an Musik entstanden ist und nach wie vor entsteht. Sehen Sie sich eher als Pianist oder als Musiker, der nun mal Piano spielt? Ich versuche, im Leben alles sehr ganzheitlich zu betrachten und sehe mich in dieser Form als jemanden, der ein besonderes Ausdrucksbedürfnis hat, das er durch die Musik leben kann. Das technische Mittel dabei ist eben das Klavier geworden, weil dies das Instrument war, das ich als Kind gelernt habe und an dem ich Freude fand. Ich glaube aber, dass auch jedes andere Instrument mir dazu hätte dienen können. Haben Sie als Jugendlicher auch mal Rock oder Jazz gespielt? Wie viele klassische Musiker spüre ich auch eine Nähe zum Jazz, wobei man als klassischer Musiker gewohnt ist, nach notierter Musik zu spielen. Und da kommt dann immer wieder die Bewunderung für Jazzmusiker auf, die wirklich ganz frei improvisieren können. Es gibt nur wenige klassische Musiker, die wirklich grooven können. Die Auffassung von Time ist ja in Jazz und Klassik ganz unterschiedlich, oder? Ich empfinde das ähnlich. Jazz spiele ich im privaten Rahmen, aber mit dem Wissen, dass es andere gibt, die das wesentlich besser können. Für Ihr Programm in Pirmasens haben Sie viele alte Schlachtrösser der Konzertliteratur ausgewählt. Wie passt das zu Ihrem Interesse an zeitgenössischer Musik? Mir ist es immer wichtig, dass es inhaltliche Zusammenhänge in einem Programm gibt. Beim Programm in Pirmasens am Sonntag ist das große Überthema die Natur. Wir haben die gar nicht mal so bekannten „Waldszenen“ von Robert Schumann, die unglaublich mystische Züge haben. Auf der anderen Seite haben wir das Waldmotiv in den „Liedern ohne Worte“, eins der Stücke wird als „Jägerlied“ bezeichnet und die Mozart-Sonate hat ja umgangssprachlich den Namen „Jagdsonate“, und dann gibt es auch noch das große romantische Motiv des Wanderers, der ja auch eng mit der Natur verbunden ist. Hinzu kommt, dass sich die Romantik ja von den großen Formen abgewandt hat und diese lyrischen Charakterstücke entstanden sind. Spielen Sie lieber solo oder zusammen mit anderen? Als Pianist verbringt man wirklich wahnsinnig viel Zeit alleine am Instrument. Das gemeinsame Musizieren ist dann immer die Erfüllung dessen, was man sich vorstellt. Es hat natürlich auch seinen Reiz, alleine zu spielen, ganz seine eigenen Vorstellungen zu verwirklichen, aber das Zusammenwirken, der Dialog beim gemeinsamen Musizieren sind für mich der Höhepunkt. Was darf das Pirmasenser Publikum von Ihnen erwarten? Auf der einen Seite sehr intime und verinnerlichte klangliche Momente, bei den Waldszenen und den Liedern ohne Worte, auf der anderen Seite aber einen unheimlich kraftvollen Schubert, dieses juvenile Werk „Die Wanderfantasie“. So gesehen ist es ein sehr kontrastreiches Programm.

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