Pirmasens Erörterungstermin zur geplanten Klärschlammtrocknung wird zum philosophischen Diskurs

Ein Erörterungstermin zu einem größeren Bauvorhaben mit Auswirkungen auf die Umwelt ist oft nicht der spannendste Termin und fast nie von einer schöngeistig-intellektuellen Qualität. Ganz anders gestern in der Fehrbacher Turnhalle, als es um die geplante Klärschlammtrockenanlage ging, die neben der Müllverbrennungsanlage 56.000 Tonnen Klärschlamm trocknen soll. Da waren sogar Philosophiekenntnisse gefragt.

Die Planunterlagen für das Projekt der Edenkobener SD-Südwest GmbH lagen bis 7. April bei der Stadtverwaltung aus. Dort konnte jeder Bürger eine Einwendung verfassen, mit der sich die Genehmigungsbehörde „Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd“ (SGD) befassen musste. Einen Einwand gegen die Anlage gab es, wenngleich das Projekt nicht unumstritten ist, immerhin haben die Fehrbacher mit der MVA schon genug Müll anderer Leute vor der Tür und bekommen nun auch noch eine Anlage, die Exkremente aus einem Umkreis von 200 Kilometern trocknen soll. Bei der SGD hatte man schon überlegt, ob der Termin überhaupt nötig ist und die Einwendung nicht einfach mit einem Schriftverkehr bewältigt werden kann, sich dann aber doch zu einem Erörterungstermin entschlossen, bei dem die SD-Südwest und der Einwender ihre Positionen austauschen können. Und so kamen gestern Morgen zehn Vertreter von SGD, Stadtverwaltung und Zweckverband Abfallverwertung Südwestpfalz sowie vier Ingenieure der SD-Südwest in Anzug und Kostüm in die etwas kühle Fehrbacher Turnhalle. Eine Präsentation mit Beamer war vorbereitet und ein Tisch für den Einwender, der in Gestalt von Alfred Woll aus der Zweibrücker Straße schließlich eintraf, Platz nahm und seine Unterlagen auf dem Tisch ausbreitete. Peter Damian, Geschäftsführer der SD-Südwest, versuchte mit einem Kurzvortrag in einfachen Worten gleich jeder Kritik vorzubeugen. Seine Anlage sei nichts Außergewöhnliches und in jeder großen Kläranlage als letzter Bearbeitungsschritt zu finden. „Wir verdampfen nichts als Wasser“, meinte Damian, der die Technik seiner Anlage mit der eines einfachen Küchenherds verglich und auf die guten Erfahrungen seiner Anlage im Kurort Bad Wörrishofen verwies, wo seit fünf Jahren Klärschlamm getrocknet werde. Am liebsten schon in diesem Jahr würde Damian den Betrieb aufnehmen. Wenn die Genehmigung vorliege, könne der Bau in Rekordzeit hochgezogen werden. Dem steht aber derzeit noch Alfred Woll entgegen, der zunächst rein fachliche Gründe gegen die Klärschlammtrocknung in Fehrbach anführte, wie die Schadstoffe im Klärschlamm, fehlende Imissionsprognosen und Umweltverträglichkeitsprüfungen. Woll warf die Frage auf, wie denn der Klärschlamm getrocknet werden soll, wenn der Wärmelieferant, die MVA, in zehn Jahren den Betrieb einstelle. Für Damian und die Vertreter der SGD war diese Art von Einwendungen kein Problem. Es wurde auf das geschlossene System der Trockenanlage verwiesen, wo kein Schwermetallstäubchen nach außen dringen könne. Die fehlenden Prognosen und Prüfungen seien für harmlose Anlagen dieser Art gesetzlich nicht nötig und deshalb auch nicht gemacht worden. Und was die MVA betreffe, so schätze man zwar schon deren Fernwärme, könne aber im Ernstfall auch anders heizen. Kniffliger wurde es, als Woll zu seinem „Vortrag“ kam. Hier konnte der Beobachter zunächst ungläubige Behördenvertreter sehen, die dann versuchten, den Redner auf die fachliche Ebene zurückzubringen, während Besucher schon mal einschliefen. Woll, der sich nach eigener Aussage viel mit Wissenschaftstheorie, Ethik und Weltmodellen beschäftigt hat, hub an zu Ausführungen über Kant, dessen Kritik der Urteilskraft, warnte davor, über das Ziel hinauszuschießen, was mit der in Behörden und der Wirtschaft üblichen „linearen Denkweise“ oft passiere und konstruierte ein philosophisches Gebilde mit Parameterräumen, kritischen Punkten und vielen weiteren Details, die nach einer Viertelstunde auch die wohlgesonnene Behördenvertreterin die Stirn runzeln ließ. Ob die philosophisch-ethischen Einwendungen des Pirmasensers gegen die Trocknung von Exkrementen vor seiner Haustüre Einfluss auf die weitere Planung haben werden, konnte nicht geklärt werden. Die SGD wird das Ergebnis der Erörterung schriftlich mitteilen.

x