Pirmasens Dem armen Sünder Gestalt gegeben

91-70829100.jpg

Die Arme-Sünder-Skulptur des Künstlers Stephan Müller hat Gestalt angenommen, es fehlt nur noch der Feinschliff. Während der Bearbeitungszeit steht sie auf dem Gelände des städtischen Bauhofs in Rodalben. In zweieinhalb Wochen wird der Steinkoloss zu seinem künftigen Standort verfrachtet beim Torbogen neben dem Arme-Sünder-Brunnen.

Die offizielle Übergabe soll beim Arme-Sünder-Abend erfolgen – am Freitag, 11. September, dem Freitag vor der Rodalber Kerwe. Bereits zwei Mal hat diese Veranstaltung unter Mitwirkung der Mittelalter-Gruppe „Waldläufer“ aus Wallhalben stattgefunden: mit einem Fackelzug durch die Haupt- oder Lindersbachstraße, mit Pferdegespann und Leiterwagen samt Personal und einem kurzen mittelalterlichen Spiel auf dem Platz neben dem Brunnen. Die Gestaltung des Platzes um den Brunnen, gegenüber den einstigen Galgenwiesen gelegen an der Ecke zur Lindersbach, ist ein Anliegen von Rodalbens Bürgermeister Wilhelm Matheis gewesen. Länger als erwartet hat die Umsetzung des Vorhabens mit Spendengeldern in Höhe von etwa 6000 Euro gedauert. Der Brunnen, vor drei Jahren für rund 5000 Euro hergerichtet und erneuert, sprudelt wieder. Ein paar Meter östlich steht der Torbogen, den noch Altbürgermeister Dauenhauer zur Erinnerung an die Stadterhebung vor Jahren angeschafft hat. Das Bauwerk hat sich für die Durchfahrt als zu eng erwiesen, es ist bis zur neuen Sinnfindung zwischengelagert worden, zuerst auf dem Bauhof, dann am Rande der alten Deponie. Jetzt stellt der aufgewertete Torbogen die Eingangssituation zum Brunnen her. Am Arme-Sünder-Brunnen sollen ehedem die zum Tode Verurteilten einen letzten „kühlen Trunk“ bekommen haben. Die Todesstrafe ist aus heutiger Sicht wegen unverhältnismäßig einfacher Vergehen verhängt worden, zum Beispiel wegen Diebstahls von Vieh, zu dem schlicht Hunger verleitet hatte. Stephans Müllers Skulptur rückt einen solchen Missetäter in den Blickpunkt. Müller veranschaulicht ein unrühmliches Stück Geschichte und stellt Bezüge zur Gegenwart her. Der Stein stammt aus dem früheren Steinbruch am Hirschbrunnen zwischen Rodalben und Münchweiler. Er ist mittels gebohrter Spaltkeile heraus gebrochen worden. Auf zwei auf drei Meter haben sich die Maße belaufen, eineinhalb Meter hoch. Den Koloss hat selbst ein Hublader schwerlich bewegen können. Mit Flex und Bohrer, bei den Feinheiten mit Hammer und Meißel hat Stephan Müller den Stein bearbeitet. Expressiv ist die Figur geworden, sie überschreitet die durchschnittliche Größe. Würde sie statt zu knien aufrecht stehen, erreichte sie eine Höhe von etwa 2,10 Metern. „Es ist schwierig gewesen, den Stein zu bearbeiten“, berichtet Stephan Müller, „denn er ist nicht homogen“. Das Material weist verschiedene Farben auf und unterschiedliche Härten. „Dafür“, sagt der Künstler, „ist es kostengünstig gewesen, denn es stammt ja aus Rodalber Gemarkung“. Vor der Steinskulptur ist eine kleine Holzfigur als „Entwurf“ entstanden. Sie hat während des Schaffensprozesses als Orientierungshilfe gedient. Holz ist ansonsten das bevorzugte Werkmaterial des Rodalber Künstlers. Stephan Müller hat wie angekündigt eine devote Figur geschaffen, die sich ihrem Schicksal fügt. Die Figur stellt allerdings nicht wie ursprünglich in Erwägung gezogen eine Frau, sondern nun einen Mann dar. Der Künstler ist damit im Voraus unnötigen Diskussionen aus dem Weg gegangen. Trotz der Masse zeigen sich Merkmale von Armut an Beckenknochen und Rippen. In devoter Haltung kniet die Figur, leicht rückwärts geneigt, den Kopf gesenkt. Es ist der „arme Sünder“. Das Wort „Sünder“ betrifft das Vergehen, das Wort „arm“ verweist auf Mitleid. Arge Lebensumstände im Mittelalter sollen durch die Skulptur in Erinnerung gerufen werden, aber nicht zum Selbstzweck. Denn neben der Figur steht der Torbogen, nicht nur zu verstehen als symbolisches Eingangstor zur Stadt. Im Sinne von Stephan Müller spannt dieses Bauwerk den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart. Der Gegenwartsbezug prangert ähnliche Missstände an, „die es in der Welt immer noch gibt“, so Müller, der sieht die künstlerische Szene am Arme-Sünder-Brunnen als Mahnmal für die Wertschätzung von Recht und Gerechtigkeit sieht.

x