Neustadt Wie im Himmel

Neustadt. „Anton Bruckner hat uns den Himmel gezeigt“, lautet eine in Musikerkreisen gerne zitierte Redensart. Eine Fülle an Kleinodien des romantischen Komponisten aus Österreich, ergänzt von zeitgenössischen Werken, präsentierte auch der Neustadter Heinrich-Schütz-Chor gemeinsam mit sieben Vokalsolisten, drei Posaunen und Orgel am Allerheiligentag in der St. Pius-Kirche auf der Hambacher Höhe.

Mit zwei eindringlich gesungenen A-Cappella-Sätzen – dem siebenstimmigen „Ave Maria, gratia plena“ und der achtstimmigen Motette „Os justi“ – führte der Chor unter Leitung von Lemi Reskovac in sein facettenreiches Konzert ein, das das Publikum tatsächlich himmelwärts in ungeahnte tonale Höhen führte. Unterstützt durch die professionellen Solisten meistert der Chor die anspruchsvollen Hürden, wenn die Anstrengung auch bisweilen in den hohen Frauenstimmen ebenso wie im Tenor deutlich zu spüren war. Viele Parts der beiden Motetten, die dem Chor die Möglichkeit bieten, seinen Klangkörper voll zu entfalten, werden anrührend gestaltet. Schön ist dann der Einstieg der warmen Altstimmen beim „Virga Jesse“, die Männerstimmen setzen treffsicher ein, das Stück gewinnt an Spannung durch chromatische Modulationen und endet beim Alleluja in harmonischem Einklang mit sonorem Bassfundament. Die Vielseitigkeit des Konzertes zeigt sich im Zusammenklang von Chor, Orgel, Solisten und Bläsern. „Vexilla regis“ ist der Überführung einer Kreuz-Reliquie nach Poitiers gewidmet. Mit einem durchkomponierten Choral beginnt der Chor, begleitet von der Orgel, legt viel Gefühl in die Textaussage bei den zahlreichen chromatischen Wendungen. Dazwischen Parts des ausgezeichneten Solistenensembles: Viola Eiges und Yugi Nakashima im Sopran, die Altistin Malaika Ledig, die Tenöre Michael Hanisch und Ingo Wackenhut, im Bass Thomas Stadler und Emmerich Pilz. Gerade der Kontrast in der Gestaltung des Textes bei unterschiedlicher Besetzung macht den besonderen Reiz dieser Interpretation aus. Die Posaunen fügen sich gefühlvoll und harmonisch beim „Ecce Sacerdos“, bezeichnet als eines von Bruckners „Monumentalwerken“, ein, das er zur 100-Jahr-Feier der Diözese Linz 1885 komponierte. Ein gewaltiger Auftakt von Chor und Orgelbegleitung – majestätisch, hoch und sehr laut. Ruhigere Akzente setzen die Solisten in der fugenartigen Weiterführung. Der Chor kommt bei der Gloria-Ausdeutung a-capella angenehm zur Geltung. Beim Schlusspunkt, der nahezu schmerzhaft in höchsten Tönen mündet, unterstützt die Orgel mit allen Registern. Anrührend sind im ersten Teil des Konzertes die „Aequale“ (Musikstücke für gleiche Stimmen oder Instrumente) der Posaunisten Jürgen Schaal und Ilja Danilov (Tenorposaune) sowie Luca Mazzalupo (Bassposaune). Die drei Mitglieder der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz begeistern bei den beiden Stücken in c-Moll mit einfühlsamem Spiel, einer großen Bandbreite von Dynamik, feiner Akzentuierung und sauberer Intonation. Organistin Soo Young Kyoung aus Ludwigshafen (Markuskirche) reizt bei Bruckners „Vorspiel und Fuge c-Moll“ alle Möglichkeiten des Instrumentes aus, das in seiner finalen Klanggewalt auch große Kathedralen füllen könnte. Schlicht und ergreifend schön ist die solistisch besetzte „Windhaager Messe“ mit ihren romantisierenden Melodien, eindrucksvoll vorgetragen, dezent von der Orgel begleitet. Nach einer Pause wird das gut zweistündige Musikprogramm unter dem Titel „Bruckner zum Entspannen“ fortgesetzt. Zunächst einmal dann doch ernstere Töne, aber in herzbewegender Romantik: „Libera me“ tragen die Solisten von der Empore aus vor, spielen sich gegenseitig die Melodien wie Bälle zu. Die gewandten Posaunisten begleiten danach das „Inveni David“ der Männerstimmen, solistisch besetzt. Entspannung folgt wie versprochen, aber nicht mit Bruckner, sondern mit der „Sortie in Es-Dur“ von Louis Lefébure-Wely, einem französischen Zeitgenossen des Österreichers. Munter, frisch und heiter spielt Soo Young Kyoung auf. Später begeistert die Organistin aufs Neue mit dem „Festival March“ von Robert Jones, einem modernen Unterhaltungsstück. Bruckner steht auch im Weiteren hintenan. „A gaelic Blessing“, vorgetragen von den Vokalsolisten, entpuppt sich als Werk des zeitgenössischen Komponisten John Rutter. Jazzig, witzig und abwechslungsreich ist ein weiterer Posaunenbeitrag, geschrieben vom Briten Brian E. Lynn. Der Zuhörer, gerade auf der Entspannungsspur, wird beim Schlusspunkt abgebremst und wieder geerdet. Bruckners „Christus factus est“ bildet dann den würdigen, aber doch überraschenden Schlusspunkt eines Konzertes, das sehr viele Kleinodien zu bieten hat. Das Publikum spendet allen Beteiligten reichlich Beifall, ehe es mit Orgelbegleitung in einen abschließenden „Evensong“ einstimmt.

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