Neustadt Tiefste Trauer, größte Freude

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Forst/Wachenheim. Ein ausgezeichnetes „Wandelkonzert“ bot die Katholische Chorgemeinschaft Forst/Wachenheim am Sonntag unter Leitung von Stephan Rahn: die erste Hälfte in der katholischen Kirche in Forst, die zweite in der protestantischen Kirche von Wachenheim, dazwischen das „Wandeln“ als Spaziergang zwischen den Weinbergen von einem Ort zum andern, gestärkt durch ein Glas Riesling, gestiftet vom Forster Weingut Mosbacher. Die Kirchen waren beide voll, und dazwischen wand sich eine lange Prozession von Musikbegeisterten durch die Wingerte.

Das war eine Menge Musik, im Prinzip zwei ganz verschiedene, aber genau aufeinander abgestimmte Konzerte, die durch den Spaziergang mit Wein zu einem Gesamterlebnis wurden. „Roter Faden“ war das katholische Fest der Kreuzerhöhung, das am 14. September begangen wird zur Erinnerung an die Auffindung des Kreuzes Christi durch Helena, Mutter von Kaiser Konstantin, in Jerusalem. Einen Tag später, am 15. September, ist der Gedenktag der Schmerzen Mariens. Das lateinische mittelalterliche Gedicht „Stabat Mater“ in seinen vielen Vertonungen gehört zu diesen Gedenktagen, obwohl es oft in der Karwoche aufgeführt wird. Es schildert das Erleben der Kreuzigung Jesu vom Standpunkt seiner unter dem Kreuz stehenden Mutter aus. Das „Stabat Mater“ von Josef Gabriel Rheinberger für Chor, Streicher und Orgel war deshalb das Kernstück des Programms. Rheinberger wurde 1837 in Liechtenstein geboren, kam aber früh nach München, wo er sein ganzes weiteres Leben verbrachte. Er war der erfolgreichste Komponist seiner Zeit in der katholischen Kirchenmusik, wurde dann aber, mit seinem Stil, der sich an den Klassikern orientierte, lange als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Das „Stabat mater“ hat er im Abstand von etwa 20 Jahren gleich zweimal vertont, das erste Werk war eine instrumentale Fassung. Das spätere, so erklärte Stephan Rahn, verdanke seine Entstehung, wie es heißt, einem Gelübde Rheinbergers: Sollte er von einer ernsthaften gesundheitlichen Beeinträchtigung seiner rechten Hand genesen, wolle er der Muttergottes ein Werk widmen. Dieses, eben das zweite „Stabat mater“, ist in einem archaischen Stil verfasst, todtraurig in der Stimmung. Schwere Akkorde zu Beginn führen abwärts. Der zweite Teil, „Quis est homo“, trennt Männer- und Frauenstimmen: Beide, die Frauen unterm Kreuz und die verbliebenen Jünger, trauern. Gegen Ende gibt es Hoffnung für die Sünder, die sich auch musikalisch in einer Erhebung ausdrückt: die jenseitige Hoffnung, dereinst ins Paradies einzugehen. Begleitet wurde der Chor von den Streichern des Heidelberger Kantatenorchester und von Christine Rahn an der Orgel. Eingeleitet wurde das Konzert in der Forster Kirche jedoch von einem anderen Stück von Rheinberger, einem Ausschnitt aus der Suite für Orgel, Violine und Violoncello: Das Thema mit Variationen. Auch hier spielten die Streicher des Heidelberger Kantatenorchesters mit Christine Rahn an der Orgel. Nach dem Gang bei bestem Wetter durch die Weinberge konnte es einfach nicht traurig weitergehen, und wirklich gab es in Wachenheim dann strahlende Auferstehungsmusik: das Concerto von Antonio Vivaldi für zwei Trompeten, Streicher und basso continuo in drei Sätzen. Es ist so festlich, dass es offenbar für einen hohen Feiertag bestimmt war, vielleicht Ostern, und vermittelt pure Freude. Die beiden hellen Barocktrompeten wurden gespielt von Felix Zimmermann und Wolfgang Thomas. Die Kirchensonate in C-Dur von Mozart für Orgel, zwei Violinen, Cello und Bass zeigte die Orgel, wieder virtuos gespielt von Christine Rahn, als „führendes“ Instrument, auch dies ein freudiges Stück, das an hohen Festtagen im Salzburger Dom etwa während der Kommunion gespielt wurde. Das Konzert blieb, passend zum Mozart-Verehrer Rheinberger, bei diesem: die „Spatzenmesse“ machte den Abschluss. Die wurde erstmals am Ostersonntag 1776 im Salzburger Dom aufgeführt. Den Violin-Figuren im Sanctus und Benedictus, die an Vogelgezwitscher erinnern, verdankt sie ihren Namen. Solisten waren Sopranistin Pia Knoll, Altistin Beate Reiser, Tenor Florian Löffler und Bass Emmerich Pilz. Danach konnte niemand mehr traurig sein.

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