Neustadt Noch „Kometenwein“ von 1811 im Keller

Die historische Aufnahme aus dem Jahr 1897 zeigt Tagelöhner des Weinguts Bassermann-Jordan bei der Lese in der Deidesheimer Lage
Die historische Aufnahme aus dem Jahr 1897 zeigt Tagelöhner des Weinguts Bassermann-Jordan bei der Lese in der Deidesheimer Lage Kieselberg.

Auf 50 Hektar Rebfläche betreiben der kaufmännische Geschäftsführer Gunther Hauck sowie sein für den Keller zuständiger Kollege Ulrich Mell mit 14 Mitarbeitern biodynamischen Anbau. Für die zum Weingut gehörende Manufaktur werden von einer ebenso großen Fläche Trauben zugekauft, die ebenfalls nach den Maßstäben der Biodynamie bewirtschaftet werden. Dabei wird auf Chemie im Weinberg verzichtet, die Natur wird ganzheitlich betrachtet. Je nach Jahrgang werden so pro Jahr zwischen 600.000 und 700.000 Flaschen vermarktet. Mehr als ein Drittel der Weinlagen in Forst, Deidesheim und Ruppertsberg gelten als Spitzenlagen, in denen zu 90 Prozent Rieslinge kultiviert werden. Hinzu kommen Mells „Spielrebsorten“ wie Scheurebe, Weiß- und Grauburgunder, Gewürztraminer, Sauvignon Blanc und Chardonnay, außerdem der Pinot Noir, der im früheren Weinberg der Kammersängerin Erika Köth im Königsbacher Ölberg wächst. Im Keller setzt Mell auf schonenden, individuellen Ausbau, was für sorten- und terroirbetonte, mineralische Weine sorgt, die sich auch mit ihrer langen Lagerfähigkeit auszeichnen. Er setzt damit die Bassermann’sche Tradition fort, die sich unter anderem in der Bestückung des Kellers am Stammsitz in der Deidesheimer Kirchgasse widerspiegelt: Dort lagern unter anderem noch einige Flaschen des „Kometenweins“ Jahrgang 1811. Anlässlich des 300-jährigen Weingut-Bestehens kann dieser Wein bei einer Jubiläumsweinprobe am Samstag, 4. August, ab 17 Uhr verkostet werden – bei einem exklusiven, kostenpflichtigen Barbecue (399 Euro pro Person). Über die Traditionsweine hinaus arbeitet Mell in seiner S-Linie mit Holzeinsatz und seit einigen Jahren mit „Orange Wines“ – maischevergorenen und in im Boden eingelassenen Amphoren gelagerten Weißweinen, wie sie zum Beispiel seit Jahrtausenden in Georgien hergestellt werden. Einen Großteil seiner Arbeit verrichtet Mell indes nicht am Stammsitz in Deidesheim, sondern in Niederkirchen: Dahin zog der Bassermann-Jordan’sche Keller 2006 um, als der benachbarte Ketschauer Hof zum Hotel umgebaut und wegen der Fusion der Niederkirchener Weinmacher mit der Winzergenossenschaft Weintor in Ilbesheim geeignete Räume frei wurden. „Logistisch ist die Lage im historischen Ortskern von Deidesheim schon schwierig, auch wenn es hier wunderschön ist“, berichten Mell und Hauck über die Schwierigkeiten, die Lastwagenfahrer früher beim Erreichen des Weinguts hatten. Sektherstellung, Mostlagerung, Verwaltung, Lagerung der Weinraritäten und Verkauf mit Vinothek sind weiterhin in der Kirchgasse ansässig, wo auch die diversen Veranstaltungen des Weinguts das Jahr über stattfinden: „Das macht die Vermarktung ab Hof für uns so interessant“, sagt Hauck über die gute touristische Infrastruktur Deidesheims. „Ich bin überzeugt, dass die gesamte Umgebung von der Attraktivität dieses Anziehungspunkts an der Mittelhaardt profitiert“, meint Hauck. Dass der Betrieb über Jahrhunderte laufe, zeige sich unter anderem in der Struktur der Kunden: „Manche Kunden kaufen in der fünften oder sechsten Generation bei uns ein, teilweise nur mit Unterbrechungen durch die Weltkriege“, berichtet Hauck. Aller Tradition zum Trotz stehen auch im Jubiläumsjahr Investitionen an: So soll die Vinothek im Hof noch im Juni mit einem Glaskubus erweitert, der Innenausbau erneuert sowie die Toilettenanlage vergrößert werden: „Gerade Großveranstaltungen wie die VDP-Nächte der offenen Keller ziehen auch viele junge Leute an. Und darauf wollen wir angemessen reagieren“, sagen Mell und Hauck.

Gunther Hauck (links) und Ulrich Mell.
Gunther Hauck (links) und Ulrich Mell.
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