Neustadt Nie mehr Alk mit Udo

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Neustadt. Einem Konzert der etwas anderen Art durfte das Publikum am Samstag im vollbesetzten Wirtshaus „Konfetti“ beiwohnen: Das „Paul Vincent Trio“ bot unter dem Titel „Let’s talk about Rock“ eine interessante Mischung aus Musik und Gesprächen an, die aufgrund der außerordentlichen Karriere des Namensgebers der Band, Paul Vincent, auf reges Interesse stieß.

Der in der Nähe von Augsburg lebende Sänger und Gitarrist war unter anderem Gitarrist und Arrangeur in Udo Lindenbergs „Panikorchester“ und bei der „Wolle Kriwanek Band“. Er spielte außerdem, neben vielen weiteren Jobs, mit Sting und Jack Bruce zusammen und ist verantwortlich für die Gitarrenarbeit auf Freddy Mercurys Album „Mr. Bad Guy“. Wer so viel erlebt hat, weiß natürlich eine Menge zu berichten, und so ist die Idee, Songs in eine Art Live-Talkshow einzubinden, zwar relativ neu, aber gar nicht so weit hergeholt. Die größte Schwierigkeit einer solchen Veranstaltung ist, einen Eisbrecher zu finden, der sich traut, in aller Öffentlichkeit die erste Frage zu stellen. Im Neustadt gelang Vincent das hervorragend. Begleitet von Schlagzeuger Andreas Keller und dem österreichischen Bassisten Dietmar Kastowsky, der für den erkrankten Stammbassisten Stephan Wißnet eingesprungen war, präsentierte er eine jazzige Version des „Beatles“-Klassikers „The Things We Said Today“und erläuterte dann kurz das Konzept der Veranstaltung. Da konnte sich einer nicht zurückhalten und rief dem etwas verdutzt dreinschauenden 65-Jährigen entgegen: „Wie lange gedenken Sie eigentlich noch Musik machen zu wollen? Etwa so lange wie die ,Rolling Stones’?“ Damit hatte der Besucher die Lacher auf seiner Seite, und Vincent antwortete nach kurzem Nachdenken: „Ja, gerne. Wenn ich auf der Bühne stehe und alles gut läuft, fühle ich mich nämlich glücklich und alterslos.“ Für diese Aussage gab’s Beifall, und der in Nordrhein-Westfalen geborene Musiker konnte mit zwei weiteren, wieder in eigenwilligen Versionen vorgetragenen „Beatles“-Nummern, diesmal „I Just See A Face“ und „Lady Madonna“, weitermachen, bevor es in die erste Fragerunde ging. Wie es denn zur Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg gekommen sei, und ob dessen anstehender 70. Geburtstag kein Grund sei, wieder gemeinsam Musik zu machen, wollte jemand wissen. Vincent antwortete erstaunlich ehrlich. Auf Lindenberg sei er zu Beginn seiner Karriere erstmals gestoßen, als dieser noch Schlagzeuger in Klaus Doldingers Gruppe „Motherhood“ war, in der er selbst als Gitarrist mitwirkte. Später, als Lindenberg schon berühmt war, traf er ihn in München wieder. Der Panik-Rocker fragte, ob er in seiner Band mitmachen wolle, und Vincent sagte zu. Nach fünf Jahren des Zusammenwirkens habe Lindenbergs hoher Alkoholkonsum schließlich aber zum Ende der Kooperation geführt. Heute wolle er aber keinesfalls noch einmal mit ihm zusammenarbeiten, denn Lindenberg sei der Chef seiner Truppe, und er – Vincent, der sich inzwischen sowohl als Livemusiker, als auch als Filmmusik-Komponist hervorgetan hat – fühle sich zu alt, um nur Angestellter zu sein und alte Kamellen neu aufzuwärmen. Nach diesen offenen Worten ging es weiter mit Musik, erneut von den „Beatles“: „While My Guitar Gently Weeps“ und „Come Together“. Die nächsten Fragen beschäftigten sich alle mit Vincents Karrierehöhepunkt als Studiomusiker: Was für ein Mensch war Freddy Mercury? Wie war abseits der Bühne mit ihm auszukommen? Warum spielte er überhaupt eine Soloplatte ein? Auch hier gab es überraschende Antworten. Mercury sei ein urmusikalisches Phänomen gewesen, vergleichbar mit Mozart, so Vincent. Die berühmte „Bohemian Rhapsody“ habe er komplett im Kopf komponiert und die Mitspieler seiner Gruppe „Queen“ so lange mit Wiederholungen und Verbesserungen gequält, bis der spätere Welthit letztendlich so geklungen habe, wie er sich das vorgestellt hatte. Als Musiker ein Genie, fühlte sich Mercury privat, aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung, aber stets unverstanden und benachteiligt. Erst einen Tag vor seinem Tod wagte er es offen zuzugeben, schwul zu sein. Nach einem internen Streit mit seinen Bandmitgliedern wollte Mercury diesen eins auswischen und beschloss, eine Soloscheibe aufzunehmen, wobei es zur Zusammenarbeit mit Vincent in einem Münchener Studio kam. In Deutschland fühlte sich Mercury sehr wohl, weil Homosexualität hier anders betrachtet wird als im prüderen England, wusste Vincent zu berichten. Die Kooperation mit Mercury habe ihm selbst gezeigt, dass damit sein Zenit als Studiomusiker erreicht sei. Seither habe er diesen Job nie mehr ausgeübt. Songs und Gespräche wechselten sich im Laufe des Abends weiter munter ab, und die Zeiger der Uhr rückten dabei sehr schnell vorwärts. Und so war Mitternacht schon vorbei, als das „Paul Vincent Trio“ unter großem Applaus nach der Eigenkomposition „Meditao“ verabschiedet wurde.

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