Neustadt „Nicht die Augen verschließen“

Heute vor 75 Jahren hat mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Polen der Zweite Weltkrieg begonnen. Der 1. September wurde zu einem Gedenktag für die Opfer von Kriegen. Er soll auch mahnen, aus der Geschichte zu lernen und die Zukunft in Frieden zu gestalten. Dazu Fragen an den Diakon und Religionspädagogen Eberhard Dittus, der sich beruflich und privat für Frieden und für das Gedenken an Opfer von Krieg und Nationalsozialismus engagiert.

Herr Dittus, warum ist der 1. September der Weltfriedenstag oder auch Anti-Kriegstag?

Die kurze Antwort lautet: Der Tag soll an den Beginn des Zweiten Weltkriegs erinnern, der damit begonnen hat, dass die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfallen hat. Wie ist dieser Gedenktag entstanden? Bei der Entstehung dieses Gedenktages müssen wir zwei Entwicklungen berücksichtigen. Zum einen wurde bereits in den 1950er-Jahren in der ehemaligen DDR der 1. September als „Weltfriedenstag“ bezeichnet. Die DDR nutzte den Tag für Kundgebungen gegen „das imperialistisch gesteuerte System“ in der Bundesrepublik Deutschland. Die westdeutsche Initiative für den so genannten „Antikriegstag“, ging vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aus, der erstmals am 1. September 1957 unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ zu Kundgebungen und Aktionen aufgerufen hatte. In den folgenden Jahren haben sich in der BRD unterschiedlichste Friedensinitiativen gebildet, die diesen Tag nutzten, um bei Veranstaltungen und Kundgebungen gegen die atomare Hochrüstung der beiden Weltmächte USA und UdSSR aufzurufen. Heute steht weniger das Gedenken im Vordergrund als Kundgebungen gegen kriegerische Handlungen in der Gegenwart. Welche Organisationen sind Träger des Anti-Kriegstags? Nach wie vor beteiligen sich der DGB, Friedensinitiativen und vielerorts Kirchen an der Ausrichtung dieses Gedenktages. Was unterscheidet den Anti-Kriegstag von ähnlichen Gedenktagen wie etwa Volkstrauertag? Der größte Unterschied zum Volkstrauertag ist der, dass dieser ein staatlich verankerter und damit offiziell angeordneter Tag ist. Die Akteure sind meist Kommunalpolitiker und Vertreter der militärischen Verbände. Beim Anti-Kriegstag sind die Akteure im ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Spektrum zu finden. Nie wieder Krieg ist das Motto des Anti-Kriegstags. Wie realistisch ist dieses Motto angesichts der zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen, die es derzeit in der Welt gibt? Nun ja, was soll ich hierzu sagen? Natürlich sehe ich auch die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, die nach wie vor weltweit stattfinden, übrigens auch mit bundesdeutscher Beteiligung. Wenn auch nicht überall in direkter Weise, wie derzeit noch in Afghanistan, sondern indirekt durch Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete. Gerade deshalb können wir als Friedensinitiativen nicht den Kopf in den Sand stecken und resignieren. Es gibt meines Erachtens genug Handlungsbedarf für friedensengagierte Menschen. In den 1970er und 1980er-Jahren gab es aus Anlass des Anti-Kriegstags zahlreiche große Kundgebungen. Inzwischen ist der Anti-Kriegstag im öffentlichen Bewusstsein kaum noch präsent. Was sind die Gründe dafür? Über die Gründe lassen sich nur Vermutungen anstellen. Einer dieser Gründe ist sicherlich die bereits angesprochene Situation, dass die massive Bedrohung durch die nukleare Hochrüstung der beiden Weltmächte USA und UdSSR nicht mehr vorhanden ist. Dennoch sollten wir nicht die Augen verschließen vor den weltweiten Bedrohungen für den Weltfrieden, etwa durch den Konflikt in der Ukraine. Aber auch die zunehmende Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen, die als Asylbewerber bei uns ankommen, sind ein Indiz dafür, wie brüchig der Frieden ist. Hat die Neustadter Friedensinitiative in den vergangenen Jahren am Anti-Kriegstag zu Veranstaltungen eingeladen und was ist in diesem Jahr? Veranstaltungen unterschiedlichster Art gehörten immer zum Programm der Neustadter Friedensinitiative. So wird in diesem Jahr ein Theaterstück gezeigt, das an den Giftgaseinsatz während des Ersten Weltkriegs erinnern soll. Das Stück trägt den Titel: „Vergiftete Liebe“ und wird am Mittwoch, 11. September, 19.30 Uhr im Leibniz-Gymnasium gezeigt.

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