Neustadt Mahnmal für Verteidigung der Freiheit

Gedenkstein enthüllt: (v.l.) Peter Berkel, Erik Wieman (IG Heimatforschung), Neustadts OB Marc Weigel.
Gedenkstein enthüllt: (v.l.) Peter Berkel, Erik Wieman (IG Heimatforschung), Neustadts OB Marc Weigel.

Der viermotorige Halifax-Bomber der Royal Air Force hatte sich in der Nacht zum 17. April 1943 auf dem Rückflug von einem Angriff auf die Skoda-Werke in Pilsen (Tschechien) befunden, als das Flugzeug zwischen Haßloch und Speyerdorf von einem deutschen Nachtjäger angegriffen und abgeschossen wurde. Beim Absturz kamen sechs der sieben Besatzungsmitglieder ums Leben, darunter ein Kanadier (lesen Sie dazu „Zur Sache“). 73 Jahre lang war nur bekannt, dass im Zweiten Weltkrieg irgendwo im Bereich des Erbsengrabens ein Flugzeug abgestürzt war. Die genaue Stelle war aber ebenso ein Rätsel wie die Frage, um welchen Flieger es sich gehandelt hat. Dank exakter Hinweise von Zeitzeugen und anhand von Fotografien aus privaten Alben konnte die Interessengemeinschaft (IG) Heimatforschung Rheinland-Pfalz 2016 die Maschine mit der Kennung Halifax DK 165-MP-E identifizieren, den Absturzort lokalisieren und viele Teile des Flugzeugwracks und der Ausrüstung ans Tageslicht befördern (wir berichteten mehrfach). Die IG Heimatforschung sucht mit Genehmigung und in enger Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), der zuständigen Denkmalbehörde, nach Resten abgestürzter Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Aktiven wollen vor allem Schicksale von im Krieg gefallenen Soldaten klären und Angehörigen dabei helfen, Lücken in Familienchroniken zu schließen. Der bisher unbekannten Crew Namen und Würde zurückgeben Am Samstag ist genau an der Stelle, an der das Cockpit der Halifax auf den Waldboden aufgeschlagen ist, ein Gedenkstein enthüllt worden, der an den 17. April 1943 und die Opfer des Absturzes erinnert. Zu der würdigen Gedenkfeier waren Angehörige von fünf Besatzungsmitgliedern aus Großbritannien angereist. Mehrere Redner betonten, dass der bisher unbekannten Fliegercrew dank des Engagements der IG Heimatforschung wieder ihre Namen und somit ihre Würde zurückgegeben würden. Der Gedenkstein solle die Erinnerung an alle Opfer von Krieg und Gewalt wach halten und ein Mahnmal für ein friedliches Miteinander der Völker sein. Erik Wieman und Peter Berkel, Gründer der IG Heimatforschung, stellten die Arbeit der seit zweieinhalb Jahren bestehenden Gruppe vor. Zehn ehrenamtliche Mitarbeiter unterstützen die IG bei ihrer aus vier Phasen bestehenden Aktivität: Zunächst werde versucht, die Absturzstelle zu finden, dann Nachfahren der Besatzung zu ermitteln, bevor der Ort des Absturzes untersucht und schließlich ein Gedenkstein errichtet werde. Zwischen Haßloch und Speyerdorf stehe nach Speyer und Limburgerhof der dritte seiner Art. Weitere Projekte plane die IG in Waldsee, Leistadt, Mechtersheim und Neuleiningen. Darüber hinaus hat die IG kürzlich ebenfalls in der Nähe von Haßloch den Absturzort eines amerikanischen B-17-Bombers lokalisiert und bereits einige Flugzeugteile gefunden (wir berichteten am 19. Juli). Berkel: „Wir wollen die Geschichte vor dem Vergessen bewahren. Auch wollen wir Brücken schlagen zu ehemaligen Kriegsgegnern.“ Der Gedenkstein sei ein Mahnmal, das daran erinnern solle, „dass so etwas nie wieder passiert“. „Ultimatives Opfer“ junger und unerfahrener Flieger Der Besatzung der Halifax DK 165 sei mit dem Gedenkstein „ein bleibendes Denkmal gesetzt“ worden, sagte Captain Roland Smith, Luftwaffenattaché der Royal Air Force (RAF) bei der Britischen Botschaft in Berlin. Die seit 100 Jahren bestehende RAF gedenke all jener Soldaten, „die das ultimative Opfer gebracht haben, indem sie ihr Leben für ihr Land und ihre Mitmenschen gegeben haben“. 75 Jahre nach jener Nacht zum 17. April 1943 „erinnern wir uns an das Opfer dieser jungen Bomberbesatzung, aber auch an alle Opfer des Angriffs in dieser Nacht und all jene, deren Leben dadurch für immer verändert wurde, unabhängig von ihrer Nationalität“. Freund und ehemaliger Feind seien heute an diesem Ort verbunden und versöhnt. Colonel Daniel S. Constable (Royal Canadian Air Force) sagte, die tapfere Crew der DK 165 werde geehrt, weil sie „uns eine dauerhafte Lektion gelehrt haben: Niemals zu vergessen, dass es sich lohnt, gegen Tyrannei aufzubegehren, für das Gute zu kämpfen und die Freiheit zu verteidigen, auch wenn es das ultimative Opfer fordert“. Die Halifax sei zwar mit einigen der modernsten Technologien der damaligen Zeit ausgestattet, die Ausrüstung nach heutigen Maßstäben aber primitiv gewesen, so Constable. Mit vergleichsweise schlechten Navigationssystemen und Instrumenten, schlechten Bombenzielsystemen, ganz zu schweigen von Bedrohungen aller Art vom Boden und aus der Luft, sei die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Mission relativ gering gewesen. Viele junge und unerfahrene Besatzungen seien mit primitiver Technologie und wenig Training tief in feindliches Territorium gestartet. Über 75.000 Besatzungsmitglieder von alliierten Flugzeugen, das entspreche 60 Prozent, seien im Krieg getötet, verwundet oder gefangen genommen worden. Oberstabsarzt Ulrich Graf von der Luftwaffe würdigte die „noble Geste“ der englischen Bevölkerung, auf ihren Friedhöfen britische und deutsche Flieger oft Seite an Seite zu bestatten. Auch diese Gedenkstätte sei ein Ort, an dem der eine bisher namenlose Crew ihre Würde zurückerhalte. „Sie haben ihr Leben gelassen für ihr Land und um ein verbrecherisches Regime aus Deutschland zu vertreiben.“ Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel würdigte das Engagement der IG Heimatforschung, das „Geschichte erlebbar macht“, ebenso wie Haßlochs Erster Beigeordneter Tobias Meyer, der darauf hinwies, dass an einem solchen Tag auch aller Toten des Krieges und der NS-Herrschaft gedacht werde. Angehörige von fünf Besatzungsmitgliedern schilderten in teils bewegenden Worten ihre Freude, die in ihren Familien die Nachricht vom Fund der Absturzstelle ausgelöst hat, weil nach 75 Jahren das Schicksal des Onkels oder Vaters endlich geklärt ist. Nach 75 Jahren noch einmal Blumen niedergelegt Für die 84-jährige Hedi Kraus hat sich am Samstag ein Kreis geschlossen. Als junges Mädchen hatte sie auf den Gräbern der zunächst auf dem Speyerdorfer Friedhof beigesetzten Briten regelmäßig Blumen niedergelegt. Dabei hatte sie deren Namen auswendig gelernt – die sie heute noch fehlerfrei wiedergeben kann. 75 Jahre später legte sie erneut Blumen nieder – diesmal am Gedenkstein, den Pfarrer Michael Braun segnete.

Dudelsackmusik zur Umrahmung: Pipe Major MacKenzie.
Dudelsackmusik zur Umrahmung: Pipe Major MacKenzie.
Fundstück: Anlasser (Untersetzungsgetriebe) der Halifax.
Fundstück: Anlasser (Untersetzungsgetriebe) der Halifax.
x