Neustadt Lernen, „dass einen das Wasser trägt“

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Neustadt. Khadil hat sich in seiner Heimat in Somalia das Schwimmen alleine beigebracht. Im Meer. Jetzt im Stadionbad stellt er fest, „es ist ein großer Unterschied zwischen dem Meer und hier“. Der 23-Jährige ist einer von knapp 20 Flüchtlingen, die derzeit in Neustadt leben und beim SC Neustadt lernen, sportlich zu schwimmen.

In Somalia, so erzählt Khadil weiter, gebe es in der Schule keinen Sportunterricht. „Wir spielen nur ein wenig Fußball.“ An diesem Abend sind es neun Schwimmschüler im Kurs von Christine Jäger, Übungsleiterin beim SCN, und von Sabine Grabowsky, stellvertretende Vorsitzende beim Arbeitskreis Asyl. Jäger und Grabowsky kennen sich vom gemeinsamen Gitarrenspielen. „Und Sabine hat mir von jemandem erzählt, der Schwimmen lernen will“, erinnert sich Jäger an die Anfänge. „Ich habe mir überlegt, dass im Sommer abends im Stadionbad genug Platz ist.“ Der SC Neustadt habe sie in ihren Bemühungen von Anfang an unterstützt. Zurück zu Khadil, dem es im 50-Meter-Becken des Stadionbads ohne große Wellen leichter fällt zu schwimmen als im Meer: Er macht sich gut im Wasser, erntet Lob von Christine Jäger für seinen Rückenbeinschlag. „Arme über den Kopf, Kopf mehr in den Nacken“, versucht sie ihn auf Englisch anzuweisen und fragt in die Runde: „Was heißt denn Nacken auf Englisch?“ Irgendwer raunt ihr ein „neck“ zu. Jäger ist begeistert: „Die lernen Schwimmen, und ich lerne Englisch.“ Es gibt auch reine Nichtschwimmer in der Gruppe. Mit ihnen übt Sabine Grabowsky im Kinderbecken das Gleiten – mit den Hände halten die Anfänger ein Schwimmbrett fest. Ayanle, ebenfalls aus Somalia, war erst einmal im Becken. „Es ist sehr schwierig“, erzählt er auf Englisch und deutet an, wie es ist, wenn das Gesicht unter Wasser gerät ... „Angst vor dem Wasser haben sie aber alle nicht“, betont Grabowsky. Ein Nichtschwimmer habe sich in der zweiten Stunde schon ein Brett genommen und angefangen, sich mit Armen und Beinen alleine fortzubewegen. In der ersten Stunde habe er sich noch am Beckenrand festgehalten. Die beiden Frauen werden von den jungen Männern, die in anderen Kulturkreisen aufgewachsen sind, voll akzeptiert. Was nicht unbedingt selbstverständlich ist. Grabowsky erzählt von einer Begebenheit außerhalb dieses Schwimmkurses: „Ein Iraner hat erzählt, dass in seinem Heimatland an einem Tag nur die Männer, an einem anderen Tag nur die Frauen baden dürfen.“ Für die Flüchtlinge ist der Schwimmkurs eine willkommene Abwechslung. „Lernen und Spaß haben“, will Khadil. „Freunde sind hier“, betont der 28-jährige Sabir, der sogar ins Schwimmbad kommt, obwohl er krank ist und nur zuschauen kann. Der Kurs sei anstrengend, aber es mache viel Spaß, versichert der junge Mann, der bereits seit einem Jahr und acht Monaten in Neustadt lebt. Diesmal tummeln sich nur neun Flüchtlinge im Schwimmkurs. „Wenn die Syrer kommen, sind es doppelt so viele“, sagt Jäger und ahnt den Grund, warum diese heute nicht dabei sind: „Das sind Frostbeulen.“ Im Winter möchten Jäger und Grabowsky unbedingt den Schwimmkurs fortsetzen und machen den Nichtschwimmern Mut: „Da sind noch zwei, die nicht schwimmen können – wir üben im Winter weiter.“ Sie alle müssten sich ans Wasser gewöhnen und lernen, „dass einen das Wasser trägt“. (sab)

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