Neustadt Königsbach und die Haardt vor 214 Jahren

Der westlich an die Haardt angrenzende Gebirgszug hieß damals noch Vogesen (und nicht Pfälzerwald), morgens in Neustadt aufgegebene Post wurde in Mannheim oder Heidelberg noch am gleichen Tag ausgeliefert und der Jahreswechsel in der Pfalz schon im Herbst gefeiert: 214 Jahre zurück in der Zeit führt das Tagebuch „Auf der Reise ins Paradies“ von Heinrich und Christine Gondela. 1802 hatte sich das Ehepaar von Bremen aus über Sachsen, Böhmen und Bayern auf den Weg zu seinem Weingut in Königsbach gemacht. Bei ihrer nächtlichen Ankunft müssen die beiden erkennen, das ihr Anwesen so gut wie leergeräumt ist: Vorsorglich hatte der Verwalter „alles an Meublen“, was die französischen Besatzer nicht mitgenommen hatten, bei sich deponiert. Am nächsten Morgen richten sich die Gondelas häuslich ein, unternehmen dann einen Gang nach Gimmeldingen, um auf einer Höhe die „bekannte, uns so liebe Gegend“ überschauen zu können. Abends empfängt der Bremer Senator auch schon die ersten Gäste. Darunter ist der „Maire“ (Bürgermeister) von „Kingspach“ (wie es umgangssprachlich heißt), der kräftig auf die französische „Republick“ schimpft und wohl nur deshalb in den Trinkspruch mit einstimmt, „um dem gefüllten Glase nicht entsagen zu müssen“, wie die Gondelas ironisch feststellen. Nach der Begutachtung der Weinberge am nächsten Morgen stellt sich bei beiden die Vorfreude auf den nahenden Herbst ein. „Man nennt die Traubenernte so“, klären sie ihre Leser auf. Die Weinlese wurde damals nicht nur von den Einheimischen durchgeführt. „Schaarenweise“ machten sich auf großen Wagen regelmäßig Familien aus kleineren Städten der Pfalz, aus „Manheim“ (Mannheim) und Heidelberg auf, um bei der vergnüglichen Lese dabei zu sein. Ja, sogar aus Darmstadt und Frankfurt kamen Leute, um alljährlich bei der Ernte zu helfen – und abends dann ausgiebig zu feiern. In der Zeite der Vorbereitungen auf die Lese bleibt den Gondelas noch genügend Zeit, um zahlreiche Stippvisiten in der Umgebung zu machen. Neustadt ist für sie ein „alter, düstrer, aber ziemlich lebhafter Ort“. Eine Wanderung im „Neustädter Thal“ entlang dem „rauschenden Speyerbache“ mit der von der Sonne beleuchteten Ruine des „Schlosses Wolfsburg“ verzaubert sie dagegen. Die etwas bergan steigende Neustadter Vorstadt Egypty bildet für sie die Verbindung von Stadt und Hambacher Schloss. In Landau beobachten sie den Aufzug des französischen Militärs, das „alterthümliche St. Lambrecht“ hat für sie von der Bauart her „etwas altreichsstädtisches“. Ein Besuch des Dürkheimer Wurstmarkts ist für sie obligatorisch. Zwei Stunden benötigt das Paar, um zu Fuß von Königsbach zum Hambacher Schloss zu gelangen. Im Wald treffen sie auf einen Hambacher Knaben, der gerade Holz macht und ihnen den Weg weist. Trotz des Eingewöhnens von Heinrich Gondela in den „ächt pfälzischen Dialekt“ gibt es Verständigungsprobleme: „I veschteh d’Herrn niet“, bedauert der junge Johannes Funck ein ums andere Mal. Interessant in dem Zusammenhang: Im aktuellen Telefonbuch finden sich heute noch Menschen in Hambach mit den Nachnamen Funk. Oberhalb von Königsbach genießen die Gondelas den Halbpanorama-Ausblick mit den Alpen und dem Schwarzwald zur rechten, Frankfurt und Darmstadt zur linken. „Wir zählten 120 Ortschaften, darunter das alte Ladenburg mit seinem grauen Dom, den Dom von Speier im Abendsonnenstrahl und fast feurigem Glanze, Mannheim mit seinen weißen Gebäuden, die Ruine von Heidelberg“, bilanzieren sie. Dieses herrliche Schauspiel genossen wir bis auf die Neige, stiegen erst im Dämmerlichte wieder bergab“. Ihre tiefe Liebe zur Pfalz offenbart sich nicht nur in der 60-seitigen Beschreibung ihres 19-tägigen Aufenthaltes in Königsbach, sie blitzt im Buch immer wieder mal auf: „Um 2 Uhr in Neustadt am Rübenberg. Die Gegend ein wahrer Contrast mit dem – ach wie überherrlichen Neustadt a. d. H[aardt]!!!“ heißt es schwärmerisch noch auf der letzten Seite. Info „Auf der Reise ins Paradies“ von Heinrich und Christine Gondela. Die Andere Bibliothek, Band 362, Februar 2015. 450 Seiten, Preis 38 Euro. (ain)

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