Neustadt Jürgen gegen den Rest der Welt

Neustadt geht in die Verlängerung. Zumindest, was die närrische Jahreszeit betrifft. Die ist zwar seit 18. Februar vorbei, doch könnte Stadtratsmitglied Jürgen Kilthau für weitere Fasnachtsspitzen sorgen. In der Stadtverwaltung hat er gestern bereits ein kleines Erdbeben ausgelöst. Mit einer E-Mail, in der er ankündigte, an Stadtratssitzungen nicht mehr von seinem Platz als linkes Stadtratsmitglied teilzunehmen, sondern sich unter die Besucher zu mischen. Sie fragen warum? Nun, der Kommunalpolitiker und Winzer ist enttäuscht – von der Stadtverwaltung und anderen Behörden wie dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum, der Landwirtschaftskammer, der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd und und und. Von fehlenden plausiblen Antworten auf die Frage, warum nichts unternommen oder sich nicht an Gesetze gehalten werde, ist in seiner E-Mail die Rede, und von mangelndem Respekt vor diesen Gesetzen. Was genau er meint, bleibt im Dunkeln. Die Ankündigung Kilthaus, künftig den Zuschauer geben zu wollen, dürfte ein Novum in der Neustadter Kommunalpolitik sein. Neu gewählte Stadtratsmitglieder, die nie zu einer Sitzung erschienen sind, Mandatsträger, die sich still „verabschiedeten“, all das kennt man. Aber einfach den Platz wechseln? Ob er sich dessen bewusst ist, als „Zuschauer“ nicht abstimmen zu dürfen? Ob er weiß, dass ein solches Verhalten ebenfalls von mangelndem Respekt zeugt? Vor jenen Wählern, die bei der Stadtratswahl im Mai der Linken ihre Stimme gaben? Indes, Kummer und Leid sind diese Wähler bereits seit Anbeginn der Tage gewöhnt. Erinnern wir uns: Je ein Mandat erhielten damals Jürgen Kilthau und Peter Schmidt. Letzterer wechselte alsbald zur Fraktion der Freien Wähler über, vorausgegangen war Zoff mit Kilthau. Das war Schmidts gutes Recht, für Wähler der Linken aber natürlich enttäuschend. Daneben krachte es innerhalb der Neustadter Linken; Kilthau kündigte an, zum Ortsverband Bad Dürkheim/Haßloch zu wechseln. Dann trat er ganz aus der Partei aus, behielt aber sein Stadtratsmandat – um im Januar wieder ein „Linker“ zu werden und die Partei doch weiterhin im Stadtrat zu vertreten. Der kommunalpolitisch interessierte Bürger könnte folglich ohnehin schon erschöpft sein. Was sich Jürgen Kilthau von seinem jüngsten Schritt wohl erhofft? Das muss zunächst offen bleiben, da er gestern auf RHEINPFALZ-Anfrage nicht zu erreichen war. Von der Stadtverwaltung erhält er auf jeden Fall – vermutlich noch heute – einen Brief. Sie möchte wissen, was genau er mit seinem Rückzug auf den Zuschauerrang meint. Einen Mandatsverzicht, zum Beispiel? Gut möglich, dass diesem Schreiben sogar eine gewisse Sehnsucht innewohnt – nur unterschwellig natürlich, aber durchaus erwartungsvoll ... Die Probe aufs Exempel, ob Jürgen Kilthau wirklich gegen den Rest der Welt antreten will – wie anno 1980 Marius Müller-Westernhagen als Theo –, folgt auf jeden Fall bald. Übermorgen ist Stadtratssitzung.

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