Neustadt Großer Rahmen für die Kunst

Neustadt. Die Villa Böhm bekommt als repräsentativer Ausstellungsort für Kunst in Neustadt gewichtige Konkurrenz: Im Obergeschoss der Villa Knöckel, einer idyllisch in einem Park gelegenen Talgrafenvilla im Schöntal, wird die früher in Haardt ansässige Galerie Upart künftig mit einem deutlich vergrößerten Raumangebot operieren und ihr Profil als erste Adresse für junge, freche, innovative zeitgenössische Kunst in der Pfalz weiter schärfen können. In der Premierenausstellung, die am Sonntag startet, gibt es eine Wiederbegegnung mit den Rätselbildern der gebürtigen Landauerin Ruth Habermehl.

Schon der Weg durch den baumbestandenen Park und das Entrée mit weitläufigem Treppenhaus hat etwas Hochherrschaftliches. Im Vorüberschreiten fällt der Blick im Erdgeschoss auf eine Firma, die sich auf hochwertige, exklusive Reitermode spezialisiert hat. Tritt man dann in der Beletage durch die verglaste Eingangsfront ins Foyer der Galerie, bleibt einem angesichts der Dimensionen die Spucke weg. In der aktuellen Ausstellung fällt der erste Blick hier auf auf eine aus fünf Hochformaten bestehende Arbeit mit dem Titel „Die Schlucht“, einem der wenigen Beispiele in der Schau, bei dem die an der Kunstakademie in Mainz ausgebildete und seit 1999 in Leipzig lebende Ruth Habermehl noch mit genuiner Malerei operiert. Ansonsten dominieren die auf C-Print hochgezogenen Collagen, auf die sich die Künstlerin seit 2005 konzentriert und durch die sie inzwischen in der Kunstwelt recht bekannt geworden ist. Insgesamt sechs gleichfalls nicht eben klein dimensionierte Räume stehen der Galeristin Ingrid Bürgy-de Ruijter jetzt bei der ersten Ausstellung neben dem Foyer noch zur Verfügung – 270 Quadratmeter sind es insgesamt, darunter auch ein großer Lagerraum. In diesem großzügigen Rahmen entfaltet die Schau einen schönen Überblick über Habermehls Œuvre der vergangenen zehn Jahre, das man gut mit dem Begriff „Variationen eines Themas“ beschreiben kann. Zwei Zyklen, „Woodland“ und „Seena“ betitelt, bilden das Rückgrat der Ausstellung, aber das besagt im Grunde wenig, denn die Werkgruppen gehen gleichsam fließend ineinander über. Das große Thema ist fast immer der Mensch in der Natur – einer Natur, die meist erst auf den zweiten Blick offenbart, dass irgendetwas an ihr nicht stimmt, rätselhaft ist und nicht selten sogar bedrohlich. „Wahrscheinlich war ich als Kind einfach zu oft im Wald“, sagt die 45-jährige Künstlerin selbst mit unüberhörbarer Ironie über ihr Spiel mit der blauen Blume der Romantik. Die Brechung ist dabei nicht zuletzt technisch bedingt: Denn Habermehls Bilder bestehen aus Bild- und (seltener) auch Text-Fragmenten, die sie aus Zeitschriften und Fotografien ausschneidet, kombiniert und teilweise auch farblich bearbeitet, wobei der Collageprozess allerdings immer sichtbar bleibt – zumindest, wenn man genauer hinschaut. Da stimmen dann etwa die Perspektive oder der Schatten nicht hundertprozentig oder man erkennt, dass an den Füßen eines wie Rotkäppchen in den Märchenwald versetzten Mädchens noch der geologisch unpassende Boden des Ursprungsbildes „klebt“. Menschen, die irgendwie nicht so recht ins Bild passen, sind ein häufig wiederkehrendes Motiv bei Habermehl. In den älteren Arbeiten stammen die Bildelemente dabei auch zumeist aus den 50er und 60er Jahren und verbreiten deshalb einen doppelbödigen Retro-Charme, bei dem es der Künstlerin deutlich erkennbar darum geht, das spießbürgerliche Idyll und die Heile-Welt-Bilder dieser Zeit zu konterkarieren. Sehr deutlich zeigt sich das etwa bei den Arbeiten, die mit der Ferienromantik der Nachkriegszeit spielen, oder auch in der „Seena“-Serie, die die Geschichte eines Mädchens im rosa Kleidchen erzählt. Arbeiten wie „Nebenstraße“ oder „Arrêt“ wiederum verweisen ganz unverblümt auf Krieg, Gewalt und Zerstörung, die gleichsam den Untergrund unter dem Firnis der Zivilisation bilden. Noch bis Sonntagabend läuft auch in Edenkoben eine Ruth-Habermehl-Ausstellung mit ganz neuen, kleinformatigen Collagen, in denen die Künstlerin auch modernere Vorlagen verwendet. Diese werden dann in der kommenden Woche komplett in die Upart-Ausstellung integriert. Es lohnt sich also, den Weg ins Schöntal einzuschlagen – zumal sich die Galerie in der Zukunft am neuen Standort nicht mehr ganz so üppig wie jetzt bei der Auftaktausstellung wird präsentieren können. Denn in die beiden Räume im Süden wird die Architektin Gabriele Himmer-Gumpp mit ihrem Büro einziehen, und ein Raum im Norden soll als Archiv und Bibliothek der Galerie dienen. Das was als Ausstellungsfläche übrig bleibt – das riesige Foyer und die Flucht der drei Räume im Osten – bietet allerdings immer noch etwa genauso viel Platz wie dem Neustadter Kunstverein in der Villa Böhm zur Verfügung steht, und mit Treppenhaus und Park bestehen vielfältige Variationsmöglichkeiten für die Präsentation. So ist nach Bürgy-de Ruijters Worten auch schon sicher, dass die Galerie im Sommer ein großes Parkfest veranstaltet. Weitere Fotos finden Sie in der Rheinpfalz-App.

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