Neustadt „Frömmelei ist mir ein rotes Tuch“

Neustadt. Ein besonderes Konzert erwartet die Besucher am kommenden Donnerstag in der Alten Winzinger Kirche. Zu Gast ist der schwäbische Liedermacher Thomas Felder. Geboren in Münsingen, ist er heute mit seiner Musik fast in der ganzen Welt daheim. In Hessen, Bayern und Baden-Württemberg wurde er mit Kleinkunstpreisen ausgezeichnet und hat für seine Lieder, die trotz ihrer Poesie und ihrem Witz auch anecken können, mehrmals den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhalten.

Herr Felder, mit ihren Liedern haben Sie schon große Teile der Welt bereist. In Deutschland sind Sie derzeit in Tübingen, Stuttgart, Berlin unterwegs. Was führt Sie am 5. März in die Alte Winzinger Kirche nach Neustadt?

Da bin ich auf Einladung der Tagesbegegnungsstätte Lichtblick. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass ich ab und zu mal ein Benefizkonzert gebe. Und den „Lichtblick“ kann ich getrost unterstützen. In Kirchen treten Sie öfter auf. Haben Sie dafür ein eigenes Repertoire? Ich habe eine ganze Reihe kirchlicher Lieder. Nicht Erbauungslieder, sondern Songs, die sich im weitesten Sinne mit christlicher Ethik beschäftigen und meistens der Frömmelei gegenüber sehr kritisch sind. Die ist für mich ein rotes Tuch. Ich bin ziemlich handfest gestrickt und haue auch politisch auf den Putz, wo ich Ungerechtigkeiten sehe. Sie sind Dichter und Sänger, singen auf Deutsch, Englisch und Schwäbisch. Mit welcher Sprache darf denn das Pfälzer Publikum rechnen? Das darf auch mit allem rechnen. Aber Schwäbisch ist natürlich meine Vatersprache. Lassen sich manche Sachverhalte im Dialekt treffender ausdrücken? Mit Sicherheit. Wer die Sprache versteht, ist tiefer berührt. Ich selbst habe mein erstes schwäbisches Lied in den 70er Jahren geschrieben, als ich Lehrer in London war. Es ist ein Plädoyer für die Kindheit. Mir selber kam da Gänsehaut beim Üben. Und mit diesem Lied habe ich gleich drei Preise gewonnen: beim Bardentreffen in Nürnberg, beim Hessischen Rundfunk und bei einem Wettbewerb in Backnang. Ich hatte damals Glück, mit dem Schwäbischen auf fruchtbaren Boden gestoßen zu sein. Sie spielen auch eine Reihe von Instrumenten. Darunter so exotische wie die Drehleier … (Lacht) Die hat mir seinerzeit der Geigenbaumeister Ernst Käshammer aus Fußgönheim gebaut. Der hat mir das Instrument auf den Leib und meine Lieder zugeschnitten. … und so schlichte Instrumente wie die Mundharmonika. Hat Ihnen das den Ruf als der schwäbische Bob Dylan eingebracht? Oder sind es vielleicht doch eher Ihre Texte? Es gibt halt so ein paar Idole, an denen man gern festgemacht wird, wenn man eine Gitarre in der Hand hält. Bob Dylan hat mich aber tatsächlich beeinflusst. Ich habe auch seinen „Mr. Tambourine Man“ ins Schwäbische übersetzt. Ihre eigenen Texte sind ja auch nicht gerade bequem. Sie können ganz schön aufmüpfig sein ... Man muss einfach manchmal den Finger in eine Wunde legen, um klarzumachen: Hier stimmt was nicht. Man kann mit Musik politisch durchaus etwas bewegen. Sie setzen sich für Gerechtigkeit, für Frieden und das Bewahren der Schöpfung ein. Hat das auch mit Ihrem christlichen Hintergrund zu tun? Und mit Ihrer Herkunft aus einer doch eher kargen Landschaft? Ja, da bin ich schon tief verwurzelt. Und mein Vater war Pfarrer. Ich habe früh bemerkt, wie Glaube auch missbraucht werden kann. Religion kann etwas sehr Gefährliches sein, wenn der Humor abhanden kommt. Deshalb gelten für mich, ganz unabhängig von aller Religion, vor allem humanitäre Grundsätze und Leitlinien.

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