Neustadt Ein Narr kämpft um die Freiheit

Wer ist Freund, wer ist Feind? Dass man sich zuprostet, muss bei Eulenspiegel (Thomas „Tommy“ Schmidt) und Pompanne (Jasmin Drah
Wer ist Freund, wer ist Feind? Dass man sich zuprostet, muss bei Eulenspiegel (Thomas »Tommy« Schmidt) und Pompanne (Jasmin Drahonovsky) nicht viel bedeuten.

«Hassloch». Schon seit Wochen wird intensiv geprobt im Hof des „Ältesten Hauses“ in der Gillergasse, dem Areal des gleichnamigen Haßlocher Kulturvereins und seiner Theatergruppe „Theater im Hof“. Heute ist das Wetter perfekt, die Kulisse aufgebaut, das kostümbunte Treiben vor der pittoresken Fachwerk-Front schon fast bühnenperfekt. Nächstens, genau am 9. Juni, soll hier „Die Ballade vom Eulenspiegel, dem Federle und der dicken Pompanne“ von Günther Weisenborn in der Inszenierung von Armin Jung erstmals über die Bretter gehen.

Immer samstags und am Sonntag nach dem Dienst tauscht der Neustadter Dekan Talar und Beffchen gegen das grobleinene, erdfarbene Bauerngewand, greift mal zum Dreschflegel, öfter indes zum Textbuch, bedient beides, je nachdem, wechselseitig: hie Protagonist des kriegerischen Bauernvolks, hauptsächlich aber doch Lenker vom Regiestuhl aus. Ganz gezielt habe er gerade diesen Stoff gewählt als Sommerstück des Jahres 2018, auch mit Blick auf seinen Dienstherrn, die Protestantische Landeskirche. Da lasse das „unstreitig bedeutende Jubiläum“ – 200 Jahre pfälzische Kirchenunion – andere historische Daten fast verblassen. In dem 1949 in Hamburg uraufgeführten Stück gehe es vor allem um die Freiheit des Christenmenschen auf Erden, so Jung. Und was der Mensch dem Menschen antue. Und in der Tat: Um Jahreszahlenspiele ist man da nicht verlegen. 1618 war’s, als der Dreißigjährige Krieg begann, 1918, als der Erste Weltkrieg blut-schwanger endete. 1968 schließlich überrollten russische Panzer das demokratietrunkene Prag. Und natürlich passen auch die 68er mit ihrem Anti-Vietnam-Protest und ihren wütend aufgereckten Fäusten gegen „honorige“ Alt-Nazis in diese Reihung. Der vom Autor bewusst von den dramaturgischen „Fesseln“ einer festen zeitlichen und räumlichen Einordnung befreite Plot spielt irgendwo am Vorabend und im Verlauf der Bauernkriege. Zielt, basierte Geschichtsdaten außer Acht lassend, auf allerlei historische Bezüge. Und emanzipiert sich gleichzeitig davon. Es geht vielmehr ganz zeitlos um die ewig unstillbare Sehnsucht der Menschheit nach Gleichheit und Frieden. Auch Eulenspiegel, im Stück eher ein Bruder des instinktschlauen Simplicissimus, Grimmelshausens „tumbem“ Chronisten des Dreißigjährigen Kriegs, und gespielt von Tommy Schmidt, wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. Genauso wie das übrige Personal – Landsknechte, Bauern, der Truchsess als Protagonist des ausbeuterischen Adels, sein zuletzt tapfer aufrecht-aufmüpfiges „Gschbusi“ Federle, sodann die Kupplerin Pompanne – ein bisschen Mutter Courage und genauso opportunistisch – und ihre Jungfern: Sie alle bewegen sich in fast zeitlosen Sphären, denen allein der üppige Kostümfundus ein historisches Profil verordnet. Der Autor, Günther Weisenborn, der in den 40er bis 60er Jahren des 20. Jahrhunderts als dichtender Dramaturg überaus erfolgreich, teils auch von den Nazis geduldet war – in Berlin unter anderem an der Schaubühne und am Schillertheater, später am Hamburger Schauspielhaus –, wandelt im „Eulenspiegel“ fühlbar auf Brechts Spuren; ein radikal Linker, der den Widerstand 1942 mit Kerkerhaft bezahlte und 1945 von den Russen befreit wurde. Der kurz nach dem Krieg entstandene „Eulenspiegel“ ist dann auch eine Art Parabel auf die Vergeblichkeit menschlichen Mühens, ein wortgewaltiger Aufschrei gegen das ewige Scheitern am Sehnsuchtstraum Frieden. Ein Happy-End, das zumindest darf verraten werden, gibt es da nicht. Auf der Hof-Bühne, vor der naturgegebenen Fassaden-Kulisse des „Ältesten Hauses“, nur ergänzt durch Brunnen, Landsknechtszelt und ein paar rustikale Bänke, hebt derweil das Spiel an. Die Musikanten, omnipräsent mit Laute, Trommel und Flöten-Tirili, begleiten das Entree. Tatjana Geiger, im bürgerlichen Beruf Leiterin der Haßlocher Musikschule, hat eigens dafür ein ganzes Bündel von musikalischen Begleitklängen erdacht. Dann tritt sie prallbunt, wortmächtig und nicht um Gestik und Mimik verlegen in Aktion, die proper aufgestellte, rund 20 Akteure starke „Theater im Hof“-Truppe, und liefert sich kraftvoll und bühnenwirksam zwischen Tiefsinn und Zoten ihre regiegestützten Scharmützel: Neben Schmidt in der Hauptrolle fallen vor allem auf: Jasmin Drahonovsky, die, mit prallen Hüftkissen ausgepolstert, die altklug gewitzte Hurenmutter gibt, Fiona Jung als Federle, Kurtisane des Truchsessen und dabei aufrecht im Herzen, Kai Scharfenberger als zynisch arroganter Herrschender, schließlich der Bauernführer Kasperlein (Yannic Stein). Sie alle werden, eskortiert von Bauern- und Kriegsvolk, ihr Publikum wohl bestens unterhalten. Aber das Böse ist am Ende nicht aus der Welt. Und streitet auch die nächsten 400 Jahre noch gegen das zerbrechliche Gute. Noch Fragen? Die Premiere findet am Freitag, 8. Juni, um 19.30 Uhr im Hof des „Ältesten Hauses“, Gillergasse 11, in Haßloch statt. Weitere Aufführungen gibt es dort am 9., 15./16., 22./23./ und 29./30. Juni, jeweils um 19.30 Uhr. Karten (12/10 Euro) bei Bücher-Friedrich, Langgasse 101, in Haßloch.

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