Neustadt Die Kunst liegt ihnen im Blut

Neustadt-Mussbach. Was früher die Norm war, ist heute recht ungewöhnlich in der Kunst: das Denken und Wirken in Familien und Generationen. Wo finden sich heute Beispiele wie die Holbeins und Cranachs? Wie glücklich aber auch heute noch die gegenseitige Anregung im Generationen-Verband gelingen kann, führt jetzt eine Ausstellung im Mußbacher Herrenhof vor Augen, die der Neustadter Künstlerfamilie Rumpf gewidmet ist: sieben eigenständige Künstler-Persönlichkeiten aus vier Generationen.

Die Idee zur Ausstellung geht auf Gustav Adolf Bähr, den großen „Kulturermöglicher“ und Vorsitzenden der Fördergemeinschaft Herrenhof, zurück. Dabei zeigt sich besonders an den gemeinsame Themen, etwa die klassische Mythologie und ihre Fabelwesen, das Porträt, die Maske, dass jedes Mitglied der Rumpf-Familie diese anders, eigenständig bearbeitet. Der Zeitstrahl durch 115 Schaffensjahre beginnt mit Ludwig Rumpf, dem Großvater von Gernot Rumpf, einem Steinbildhauermeister aus der Nordpfalz. Die Köpfe und Fabelwesen seines Wohnhauses in Obermoschel, deren Abbildungen gezeigt werden, wirken lebendig: Die Augen glänzen, die Haare wehen, als seien sie „echt“. Der Stein wird quasi „aufgelöst“ durch tiefe Schatten und Hinterschneidungen. Höchstes handwerkliches Können, das auch die folgenden Rumpf-Generationen auszeichnen wird, mischt sich mit antikisierender Strenge. Hier grüßt die Zeit des Historismus vor der Jahrhundertwende. Otto Rumpf, Gernot Rumpfs Vater, von seinem Vater in die Lehre genommen, steht stilistisch in krassem Gegensatz zu diesem: Der Illusionismus ist weg, das Material „Stein“ soll zur Geltung kommen. Aushebungen sind nur sparsam vorgenommen, Arbeitsspuren bleiben stehen. Die weichen, runden Formen sind einfach und klar, mit leiser Poesie: In einem Fragment umarmt Europa innig „ihren“ Stier. Eine andere Europa, hier als kleines Modell, thront im Koblenzer Schloss als 200-Zentner-Koloss. Hier verbindet sich romanische Schlichtheit mit Klassischer Moderne. Ottos Ehefrau Martha brachte neue Techniken in die Familie ein: Batik und gewebte Gobelins. „Unter ihrem Webstuhl lag meine Wiege. Ich erinnere mich noch, wie über meinem Gesicht ihre Webnadel hin- und her-glitt“, erzählt der Sohn Gernot Rumpf. Eines der Stücke, die den Krieg überstanden haben, zeigt die Apokalypse: Die Poesie der Formen, verbunden mit Reduktion auf das Wesentliche, spricht an, ohne zu schreien. Gernot Rumpf, geboren 1941 in Kaiserslautern, ist die bekannteste Persönlichkeit der Familie und hat gerade in der Pfalz durch seine vielen Brunnen-Skulpturen und Denkmäler eine enorme Popularität erreicht. „Wenn die Menschen meine Figuren erleben, zaubern diese ein Lächeln auf ihr Gesicht“, zeigt der Künstler, dass ihm diese Volkstümlichkeit keineswegs peinlich ist. Unter der humorigen Oberfläche brodelt ohnehin ein Urkonflikt des Menschen: Angriff und Abwehr ist ein durchgängiges Thema bei Rumpf, deutlich etwa in der Thematik des Minotauros. Subtil stellt er die Abwehr der Kirche gegen Reform und Erneuerung als Krabbe mit einer Petersdom-Kuppel als Panzer dar, die Scheren als Kolonnaden. „Und die zwicken!“, bemerkt er. Ein wenig erinnern seine Wesen an Hieronymus Bosch oder Matthias Grünewald … seine unverwechselbar klare Formensprache fängt die Fantastik wieder auf, bringt sie ins harmonische Gleichgewicht. Ehefrau Barbara Rumpf, 19 Jahre jünger, arbeitete bei vielen der großen Projekte mit ihrem Mann zusammen. Auch im eigenen Werk zeigt sie sich als seine eigenständige künstlerische Partnerin. Mit ihrem kühnen Schwung und der starken Form-Reduktion heben sich ihre Bronzen und Malereien scharf vom Stil ihres Gatten ab. Grundthema sind mythische Frauengestalten, in heutige Bildsprache übersetzt. Beispiel „Judith“: Der Moment vor der Enthauptung zeigt ihre kühl taktierende Überlegung in wenigen Strichen. Ein Mund, eine Hand, eine Zigarette – zu sehen ist fast nichts, und doch alles! Aktuell. Postmodern. Die Tochter Katharina Rumpf, Jahrgang 1984, bestreitet ihre Position in einem ganz anderen Metier, dem Modedesign. Ihre „Rumpf’sche“ Ader schlägt in ihren Kleider-Objekten aus Metallschrott und „Felsen“ durch. Doch – ganz eigen – spielt sie mit Materialien der Arte Povera, verblüffend kombiniert mit minimalistischen Schnitten fließender Stoffe. Diese „Mode“ ist nicht zum Tragen, sondern freie Kunst im Wortsinne. Eva Rumpf, Keramikerin in Augsburg und 112 Jahre später auf der Bühne erschienen als das älteste Mitglied der Künstler-Familie, begegnet uns in der Ausstellung zuerst. Mit souveränem Schwung treibt sie das Spiel von Linien und Formelementen in ihren Skulpturen bis an die Grenze des Abstrakten, ebenso in ihren Schalen und Wand-Objekten. Doch der Mensch, sein Körper, bleibt immer spürbar. Mit ihr endet – vorläufig! – die spannende Zeitreise durch die Geschichte einer Künstlerfamilie, die insbesondere die Kunstlandschaft Pfalz enorm geprägt hat und immer noch prägt. Die Ausstellung Die Ausstellung „4 Generationen Rumpf. Eine pfälzische Künstlerfamilie“ wird am Sonntag, 8. November, um 11.15 Uhr in der Kunsthalle des Mußbacher Herrenhofs eröffnet. Die Laudation hält Dietrich Mack (Baden-Baden). Für die musikalische Begleitung sorgt die Pianistin Verena Börsch. Die Ausstellung läuft bis 29. November. Öffnungszeiten: mittwochs 18–20 Uhr Uhr, samstags 14–18 Uhr und sonntags 11–18 Uhr. Gernot und Barbara Rumpf führen am Sonntag, 14. November, um 15 Uhr und am Mittwoch, 25. November, 18 Uhr, selbst durch die Schau.

x