Neustadt Dezentral – solange es geht

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Der Zweite Beigeordnete Ralf Trösch (SPD) informierte im Sozialausschuss über die Situation der Asylbewerber. Demnach befinden sich, wie die Verwaltung bei der Einwohnerversammlung berichtet hatte, aktuell 139 Personen aus 16 Nationen an 25 Standorten in der Gemeinde. Die Gemeinde sei bestrebt, auch in Zukunft die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern „mit Priorität weiterzuführen“. Möglicherweise sei dies aufgrund der derzeitigen Prognosen und des Angebots an Mietobjekten nicht dauerhaft zu gewährleisten. Bisher habe die Gemeinde mit weiteren 140 Personen bis Jahresende gerechnet, derzeit habe der Kreis signalisiert, dass pro Woche mit acht bis zehn Personen zu rechnen sei. Dies entlaste die Gemeinde, verschaffe „etwas Luft“, erklärte Andreas Rohr von der Sozialverwaltung. Allerdings sei 2016 bei einem ungebrochenen Flüchtlingsstrom neben weiteren 240 Personen auch mit dem verstärkten Zuzug von Familienmitgliedern, insbesondere bei Kriegsflüchtlingen, zu rechnen. Derzeit schätze man die Anzahl auf 400 Personen. Der Kreis Bad Dürkheim rechnet nach Angaben ihrer Sprecherin Sina Müller derzeit mit rund 1300 Flüchtlingen in diesem Jahr. Rund 1000 Personen seien es bisher gewesen, bis Jahresende sollen noch 300 hinzukommen. Wie berichtet, will die Gemeinde das Gebäude der ehemaligen Wichern-Werkstätten in der Gottlieb-Duttenhöfer-Straße nutzen (die Werkstätten ziehen Ende November in einen Neubau ins Gewerbegebiet Nord um). Da eine Anmietung ausscheide, weil die Eigentümervertreter dies ablehnten, wolle man das Objekt erwerben. Dazu habe er bereits Kontakt mit der Kreisverwaltung aufgenommen und über die Rahmenbedingungen für die Finanzierung eines Erwerbs des Anwesens gesprochen, so Trösch. „Der Kreis wird das Vorhaben unterstützen.“ Dazu sagte die Kreis-Sprecherin, dass angesichts der hohen Anzahl der Flüchtlinge langfristig geplant werden müsse. Und da könne der Kosten-Nutzen-Effekt auf lange Sicht sogar höher sein, wenn Unterkünfte gekauft statt gemietet werden. Zudem sei es immer schwieriger, Wohnraum für Flüchtlinge zur Anmietung zu finden. Im Kreisausschuss stehe dieses Thema Ende November auf der Tagesordnung. In Trockenbauweise sollen im Altbau der Wichern-Werkstätten die Räume und Sanitäranlagen für bis zu 50 Menschen umgebaut werden, kündigte Trösch an. Kurzfristig sei dort auch eine Hallen-Unterbringung möglich. Falls das Gebäude zukünftig nicht mehr für die Unterbringung von Asylbewerbern benötigt werde, könne die Unterkunft als Anlaufpunkt für Obdachlose genutzt werden. Weiterhin will die Gemeinde das Anwesen „Zum Rennplatz“ anmieten, um 25 bis 30 Personen unterzubringen. Allerdings seien dort noch bauliche Voraussetzungen zu erfüllen. Dazu gebe es Gespräche mit dem Vermieter und der Kreisverwaltung Bad Dürkheim. Platz wäre dort auch für das „Café Vielfalt“, das am 3. Dezember zum ersten Mal und zunächst im Gemeinschaftshaus der Evangelischen Christusgemeinde in der Schillerstraße öffnet, sowie für einen Büroraum für den Arbeitskreis Asyl und ein Lager. Die Unterkunft soll bis zum Ende des ersten Quartals 2016 bezogen werden können. Das Aufstellen von Containern als Ersatzlösung zur Unterbringung werde aufgrund von Lieferzeiten und Standortfragen derzeit in Absprache mit dem Kreis nicht mehr verfolgt. Die Option, die Turnhalle der Schillerschule als Unterbringungsmöglichkeit zu nutzen, bestehe weiter, „die Prioritätensetzung der Gemeinde ist jedoch eine andere“, betonte Trösch. Um den Arbeitsaufwand durch die steigende Anzahl der Asylsuchenden zu bewältigen, seien für die Sozialverwaltung Haushaltsmittel eingestellt und Mitarbeiter umgesetzt worden. Die Stelle des „Kümmerers“, die kürzlich besetzt wurde, soll demnächst in eine Halbtagsstelle umgewandelt werden. Einen besonderen Dank richteten Trösch und Rohr an den Arbeitskreis Asyl, der in ehrenamtlicher Arbeit überall dort helfe, wo dies die Gemeinde nicht leisten könne. Die Asylsuchenden verpflegen sich in der Regel selbst, so Rohr auf Nachfrage. Nur dort, wo keine Kochgelegenheiten bestünden, würden die Menschen mit Essen versorgt, wie beispielsweise bei den Gästezimmern in der Pfaffengasse. Auch für die ehemaligen Wichern-Werkstätten werde Catering notwendig sein, da dort keine Kochmöglichkeiten eingerichtet werden können. „Sich selbst zu versorgen, ist wichtig, um seinen Alltag selbst zu organisieren“, betonte Rohr. „Wir wollen die Verantwortung der Menschen fördern und fordern.“ Das reiche von der Mülltrennung bis zum Schneeräumen. Derzeit schaffe man auch Arbeitsplätze: Zwischen 15 und 20 sollen es bis Ende des Jahres sein. Zwei Arbeitsplätze sollen beim Forstzweckverband entstehen, zwei bei der Evangelischen Kirchengemeinde, durch Ein-Euro-Jobs als „Hausmeister“ soll in den Unterkünften für Ordnung gesorgt werden. Ab wann und in welchem Umfang Asylsuchende beschäftigt werden können, sei gesetzlich geregelt, so Rohr. Ausschussmitglied Martina Scheweiler-Würzburger (CDU) ergänzte, dass 14 Kinder von Asylsuchenden derzeit vier Kindertagesstätten besuchten, 22 Kinder eine Schule, denn es bestehe auch für sie Schulpflicht. Dort gebe es Sprachförderung, ebenso wie durch den Arbeitskreis Asyl. Dessen Mitglieder seien über eine ehrenamtliche Helferversicherung versichert. Asylsuchende seien nicht über eine private Haftpflichtversicherung abgesichert, allerdings prüfe man derzeit günstige Angebote von Versicherern. Bei Beschädigungen in den Wohnungen müsse die Gemeinde haften. Bei anderen Schadensfällen, beispielsweise bei einem Unfall, müssten Asylbewerber mit ihrem „eigenen Einkommen“ haften, was für Geschädigte nicht ausreichen dürfte. Asylsuchende haben laut Rohr 15 Monate lang keinen Anspruch auf eine Krankenversicherung, sondern nur auf Krankenhilfe. Dadurch kann in akuten Fällen mit einem Berechtigungsschein ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Erst nach diesem Zeitraum gebe es dann die Gesundheitskarte. (uhk)

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