Neustadt Blindkauf mit Folgen

Deidesheim. Auszug aus einer Kundenrezension beim Versandhändler Amazon: „Das ist ein Meisteralbum – sehr versiert, melodisch, durchdacht, kraftvoll, einfach klasse!“ Diese Begeisterung für das Album „Talk To Your Daughter“ des amerikanischen Gitarristen und Sängers Robben Ford aus dem Jahr 1988 teilt auch Michael Runge uneingeschränkt. „Die CD ist meine Inselplatte. Sie zählt für mich mit Abstand zum Besten, was in meiner Musiksammlung steht“, erzählt der Deidesheimer.

Dabei hat es ziemlich lange gedauert, bis er überhaupt auf Ford, der neben seinen Soloaktivitäten unter anderem auch mit Chick Corea, Miles Davis, B. B. King oder Jimmy Witherspoon gearbeitet hat, gestoßen ist. „Ich brauche immer etwas länger, um eine Stilart für mich zu entdecken“, beichtet Runge, der bis vor kurzem noch als Gitarrist der Gruppe „King Men“ aktiv war, der Band inzwischen aber aus Zeitgründen nur noch auf Abruf zur Verfügung steht. „Heavy Metal beispielsweise ist erst jetzt zu mir durchgedrungen. Inzwischen komme ich auch immer mehr zum Jazz. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum mich „Talk To Your Daughter“ heute fast noch mehr begeistert als früher. Die darauf enthaltene Mischung aus Jazz und Blues ist einfach großartig.“ Als er sich die Scheibe um die Jahrtausendwende zugelegt hat, war sie ein „Wildkauf“, wie der 48-Jährige sagt: „Ich habe auf dem Heimweg von der Arbeit (Runge ist Fachpfleger für Psychiatrie) einen Zwischenstopp im Mannheimer Gebrauchtplattenladen ,Come Back’ eingelegt und dabei ist mir ,Talk To ...’ in die Hände gefallen. Gekannt habe ich das Album bis dahin nicht. Als ich es dann zum ersten Mal gehört habe, war ich hin und weg. So wie Robben Ford würde ich gerne mal spielen können. Aber ich muss wohl auch künftig kleinere Brötchen backen als der.“ Live erlebt hat Runge, der zur Zeit neben seinem Beruf auch noch Pflegemanagement studiert, den 62-jährigen Kalifornier bisher zweimal. „Robben Ford war im ,Rex’ in Lorsch zu Gast, und ich war natürlich dabei“, so Runge, „Der Mann spielt auf der Bühne genau so genial wie auf Platte. Der schmächtige Kerl meistert mühelos technische Höchstschwierigkeiten, klingt dabei aber in keinster Weise technisch.“ Runges Lieblingsstück ist „Relevation“, das siebte von neun Liedern auf „Talk To Your Daughter“. „Der Spannungsbogen, den Ford darin aufbaut, die Melodie des Liedes – all das erzeugt bei mir eine Gänsehaut“, schwärmt Runge, „es ist für einen Supergitarristen schwer, Melodie zu spielen. Die meisten fangen irgendwann an zu ,dudeln’. Nicht so Robben Ford. Er, der früher eigentlich Saxophonist werden wollte, das aber aufgrund seiner damals zu weit auseinander stehenden Zähne nicht ganz hingekriegt hat, spielt seine Gitarre eben wie ein Saxophon. Und das kommt meiner Vorliebe für Jazz natürlich sehr entgegen.“ Auch das Albert-King-Cover „Born Under A Bad Sign“ reißt Runge jedes Mal vom Hocker. „Robben Ford ist zwar nicht schwarz, hat aber ein Gefühl für die urwüchsige Bluestradition und schafft es, sie mit unheimlicher Energie zu erfüllen. Wenn Albert King das Stück spielt, kommt er mit einer Kraft rüber, die ihn wie einen bauarbeitenden Baggerfahrer erscheinen lässt. Im Vergleich zu ihm spielt Ford den Song technisch einfach viel versierter, finde ich.“ Begeistert ist Runge auch von den Gastmusikern, die auf seiner Inselplatte mit von der Partie sind, Jeff Porcaro von „Toto“ beispielsweise, der in „I Got Over It“ am Schlagzeug sitzt, oder Bill Payne von „Little Feat“, der zu „Can’t Let Her Go“ ein paar Syntheziser-Sequenzen beisteuert. „Die beiden bringen eine große Portion Frische in die Produktion mit ein. Irgendwie fühlt man sich dadurch auch ein wenig an ,Toto’ oder die ,Tubes’ erinnert.“ Für Michael Runge passt auf dem Album einfach alles zusammen, der Ton der Gitarre, der Gesang, die Energie, die gesamte Stimmung eben, wie er sagt. Alle paar Wochen hört er sich den Silberling an und entdeckt dabei immer wieder Neues. Neun weitere CDs von Robben Ford hat er sich mittlerweile dazu gekauft. Ein bisschen hat der Amerikaner ihn auch als Gitarrist vorangebracht. „Jeder, der Gitarre spielt, klaut sich sein Repertoire aus den Riffs und Tricks anderer zusammen. Ich auch. Und bei Robben Ford lässt sich prima abkupfern“, beichtet Runge. Die Frage, wie er „Talk To Your Daughter“ in zwei Worten beschreiben würde, beantwortet der Deidesheimer wie aus der Pistole geschossen: „Äfach schää.“

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