Neustadt Über den Kirchturm hinaus: Die Angst des Neustadter Predigers

Heute Abend werden wir in der Stiftskirche für das ZDF einen Gottesdienst aufnehmen und am Sonntag gleich noch mal einen. Ich weiß nicht, wie es meinen Kolleginnen und Kollegen geht, ich habe auf jeden Fall Lampenfieber, vielleicht sogar Angst. Im Schnitt schauen über 800.000 Frauen und Männer einen Fernsehgottesdienst an. Eine Zahl, die ich sonst nur von Pop- und Rockstars gehört habe.

Natürlich gab es auch vorher schon große Gottesdienste: Open-Air-Gottesdienste mit mehreren Hundert Zuschauern oder den Gottesdienst zum Rheinland-Pfalz-Tag, bei dem über 3000 Menschen auf dem Marktplatz versammelt waren. Selbst das konnte ich mir schon kaum vorstellen. Aber 800.000, das ist noch mal eine ganz andere Größenordnung.

Bin ich kleiner Pfarrer aus der Pfalz eigentlich in der Lage, so viele Menschen zufriedenzustellen? Kann das überhaupt jemand, auf die Bedürfnisse so vieler Menschen eingehen? Das ist doch unmöglich!

Jung: Geht um einzelnen Menschen

Ja, es ist so lange unmöglich, solange man sich von der großen Zahl blenden lässt. Aber es geht gar nicht um die 800.000, es geht immer nur um einzelne Personen. Ich predige nie für 40, 50, 60 Menschen in unseren normalen Gottesdiensten, sondern immer nur für die eine Frau, den einen Mann, der sich davon angesprochen fühlt. Wenn ich Glück habe, erreiche ich viele einzelne Männer und Frauen, wenn ich noch mehr Glück habe sogar fast alle.

Es geht eigentlich immer nur um einzelne Menschen. Nur ein einzelner Mensch kann angesprochen werden, nur ein einzelner Mensch kann geliebt werden, nur ein einzelner Mensch kann anfangen, die Welt zu verändern, nur ein einzelner Mensch ist ein Kind Gottes.

So gesehen ist der Gottesdienst heute Abend nicht anders, als wenn ich mich in der Fußgängerzone mit jemandem unterhalte. Im Grunde bin ich immer mit einem anderen und mit Gott allein. Und das ist gut so!

Der Autor

Armin Jung ist Dekan des protestantischen Kirchenbezirks Neustadt.