Ludwigshafen „Wir haben viel gelernt“

Behördengänge einfach und unkompliziert mit dem Fahrrad erledigen ist für Asylbewerber komplizierter, als es sich anhört. Gemeinsam haben daher das Team der Verkehrssicherheitsberatung der Polizei und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) am Samstag Flüchtlingen in der Jugendverkehrsschule die Grundlagen der Fortbewegung auf zwei Rädern vermittelt.

„Es ist auch für uns ein Pilotprojekt. Wir wussten nicht, wo die ganzen Leute stehen. Deshalb haben wir sie zunächst einmal völlig frei fahren lassen“, berichtete der Leiter der Jugendverkehrsschule, Swen Nußbaum. Das Experiment war nach wenigen Minuten beendet: „Sie konnten zwar alle fahren, aber von Verkehrsregeln war da wenig zu sehen“, meinte der Polizeibeamte kopfschüttelnd. Deshalb gab es für die Männer aus Afghanistan, Pakistan, Syrien, Bosnien und Albanien zunächst einmal einen großen Theorieteil. „Dabei geht es um die Grundverkehrszeichen, Vorfahrtsregeln und Signale“, so Nußbaum. Auch für ihn eine Herausforderung, denn Fachbegriffe wie „Vorfahrtsstraße“ oder auch „Verkehrsberuhigter Bereich“ sind den wenigsten aus dem Englischunterricht geläufig. „Priority Road“ und „Traffic Calm down“, kramten Nußbaum und seine Kollegen Ingolf Müller und Uwe Dupré zumindest für die beiden oben genannten Bereiche aus dem Gedächtnis. Für tiefergehende Erklärungen halfen Hände und Füße, und natürlich die Dolmetscherinnen, die der Arbeitskreis Flüchtlinge mit zur Jugendverkehrsschule gebracht hatte. „Wir haben viel gelernt“, sagte Hamdullah Othmankheh aus Pakistan. Er ist seit Februar in Deutschland und seit April in Ludwigshafen. „Viele Verkehrszeichen kannte ich noch nicht“, räumte er ein. Außerdem kämpft er außerhalb von Bus und Bahn, mit denen er sich bislang fortbewegt, noch mit dem Rechtsverkehr. „Wo ich herkomme, fahren wir links“, erklärte er. Auch dies eine Herausforderung, mit der die Verkehrssicherheitsberater im Vorfeld nicht gerechnet hatten. „Am besten klappt der Unterricht, wenn einer von uns vornewegfährt und die Kleingruppen ihm dann folgen und durch das Nachahmen lernen“, hatte Nußbaum deshalb nach wenigen Minuten erkannt. Und so folgten immer drei gut behelmte Gruppen einem vorausfahrenden Polizisten wie eine Entenfamilie. „Every time on a corner we stop, watch, give a sign and then drive“ – „An einer Straßenkreuzung anhalten, schauen, Zeichen geben und dann erst losfahren“ – so dazu die Anweisung über das Lautsprechersystem auf dem Gelände, die von Othmankheh und seinen Kollegen mehr oder weniger buchstabengetreu befolgt wurde. „Zumindest haben sie die Regeln dann einmal gehört“, gab sich Hans-Peter Eckert vom ADFC-Landesverband keinen Illusionen hin, innerhalb einer Stunde aus den knapp 50 Neu-Ludwigshafenern sichere und disziplinierte Verkehrsteilnehmer machen zu können. „Das ist erst mal nur eine Veranstaltung zum Kennenlernen und ohne weiteren praktischen Nutzen. Für mehr fehlt heute die persönliche Betreuung.“ Trotzdem sollen die Männer künftig mit Fahrrädern ein wenig mehr persönliche Freiheit gewinnen. „Wir sind gerade dabei, eine Fahrradwerkstatt in Oggersheim zu gründen, wo sie auch Räder reparieren sollen, aber dafür fehlt am Oggersheimer Bahnhof noch der Platz“, erklärte Brigitte Roos vom Arbeitskreis Flüchtlinge in Ludwigshafen. Swen Nußbaum nannte einen weiteren Lerneffekt der besonderen Verkehrsstunde: „Viele dieser Menschen kennen es aus ihrem Heimatland nicht, dass Polizisten auch ihre Freunde sein können.“

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