Ludwigshafen In Zweisprachigkeit ertrunken

Dass Kunst kulturelle und sprachliche Barrieren überbrückt, hat Hansgünther Heyme mit seiner Inszenierung von Shakespeares „Sturm“ im Alten Volksbad in Neckarstadt-West gezeigt. Entstanden ist ein konzentriertes Sommertheater mit einem deutsch-bulgarischen Laienensemble, das den auch akustisch lebendigen Charme des Quartiers atmet.

Der 1935 geborene Hansgünther Heyme, bis zur vorigen Spielzeit Intendant des Pfalzbau-Theaters, hat all seine Theaterkontakte spielen lassen, um William Shakespeares „Sturm“ als Low-Budget-Produktion auf die Bühne zu bringen. Christoph Klimke hat die zuweilen klappernde, aber rechtefreie Wielandsche Übersetzung aus dem Englischen auf eine Fassung mit der Vorlage für eine Stunde Spieldauer gebracht. Gerd Friedrich baute in den überschaubaren Innenhof des Alten Volksbads ein Baugerüst nach Globe Theatre-Vorbild, in dem die Zuschauer von zwei Ebenen aus sowohl frontal als auch seitlich auf die Bühne, einen rechteckigen Teppich, schauen. Die Zierapfelbäume wurden liebevoll eingebunden. Die Kostüme für die zum Teil doppelt oder dreifach besetzten Rollen hat Gerd Friedrich entworfen. Die adelige Besatzung des strandenden Schiffes trägt militärisches Weiß. Die Ureinwohner Ariel und Caliban sind im Gesicht braun-grün, und die Besatzer, Prospero sowie seine Tochter Miranda, herrschen im braunen Wachsmantel. In gelben Rettungswesten agiert das ganze Ensemble zusammen als Schiffsbesatzung. Was sowohl der Textbearbeitung als auch der Ausstattung gelingt, nämlich Shakespeares „Sturm“ zu bündeln und zu strukturieren, glückt der Regie nicht ganz. Heyme ist so fasziniert von der Idee einer zweisprachigen Aufführung, dass er vor lauter gewissenhafter Übersetzung ins Bulgarische und Deutsche das Erzählen einer Geschichte vergisst. Seine Darsteller drehen sich häufig im Kreis, um der Anordnung der Zuschauer auf drei Seiten gerecht zu werden und setzen diese eher rituell wirkende Bewegung dann auch während der Übersetzung fort. Heymes Figuren vermitteln so zwar eine Haltung und Stimmung, eine Spielsituation kommt auf diese Weise aber nicht zu Stande. Was bei der Figur des Ariel, Danka Zhelezarova und Ralph Füglein gelingt, die mit einer Bauchbinde zu einem Luftgeist verschmelzen und Rücken an Rücken mit zwei Gitarren das Geschehen lenken, funktioniert beim doppelten Caliban (Olav Schlippe und Bernhard Wadle-Rohe) nicht, den Heyme als weinerliches stiefelleckendes Kriechwesen inszeniert, dessen Kraft oft in den Boden hinein gespielt wird. Auch kämpft Heyme mit zwei konträren Spielweisen, einer reduzierteren Deutschen wie bei Anita Sauer-Cukajs Trinkulo und einem hochenergetischen bulgarischen Dampfen, mit dem Limeik Topchis Prospero durch den Abend stürmt, ohne das die Rachegelüste der Figur am Anfang sich von den Versöhnungsgedanken am Ende unterscheiden. Aber die Inszenierung hat durchaus leuchtende Momente. Einer ist die Liebe, die sich zwischen der dreifach besetzten Miranda und dem doppelt besetzten Ferdinand entspinnt. „Liebet ihr mich also?“ fragen drei Mirandas zwei Ferdinands bange. Ein Jugendliches Paar, Elmira Zheleva und Victor Kabelitz Lévano, rückt sich auf Stühlen entgegen, bis er ihre Hand fasst. Ein kindliches Paar, Michaela Zhelezarova und Alican Ali, ahmt die Aktionen nach und löst sie auf eigene, kindliche Weise und erzählt damit eine glückliche Kindheit mit Spielkameraden, wie sie die Figur der Miranda im Exil nie hatte. Eine dritte Miranda (Djamila Klöfer) bleibt mit ihrer Frage unbeantwortet und kauert sich enttäuscht zusammen. Diese stumme Miranda erzählt die ganze Insel-Einsamkeit der Figur. Solche vielschichtigen Einblicke in Figuren sind leider selten. Was Heyme aber sichtlich gelingt, ist ein Mehrgenerationenensemble verschiedener kultureller Herkunft zu einem Team zusammen zu schweißen und ein freudiges und ernsthaftes gemeinsames Arbeiten zu ermöglichen. Hier sind Menschen während der Probenzeit zusammengewachsen und vermitteln exemplarisch, was die Neckarstadt West tagtäglich als Aufgabe meistert. Das ist schön zu sehen.

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