Ludwigshafen Himmelszelt statt Kinozelt

Eine der Neuerungen, die das Festival des deutschen Films in diesem Jahr bieten wird, ist das Open-Air-Kino. Bereits im vergangenen Jahr fest eingeplant, schließlich jedoch dem Hochwassser zum Opfer gefallen, scheint es 2017 nicht gefährdet. Zu sehen sein werden neben mehreren Beiträgen aus dem offiziellen Festival-Programm verschiedene deutsche und internationale Kinofilme der jüngeren Zeit.

Festivaldirektor Michael Kötz zeigt sich erfreut, wie wenig Wasser der Rhein derzeit führt. Der Pegelstand lässt auch unterhalb der ufernahen Hannelore-Kohl-Promenade auf der Parkinsel reichlich Platz für die zwölf mal sechs Meter große aufblasbare Leinwand und 450 Sitzplätze. Immer um 20.30 und 22.30 Uhr an jedem Festivaltag beginnen die Vorstellungen. Sie fallen nur aus, wenn bereits im Laufe des Tages abzusehen ist, dass die Öffnung keinen Sinn machen wird, etwa bei starkem Regen oder Sturm. Sollte es während einer Vorführung zu regnen oder auch nur zu nieseln beginnen, steht es den Besuchern frei, die Vorstellung auszusitzen, gegebenenfalls gewappnet mit Cape und Schirm, oder sich das Eintrittsgeld von acht beziehungsweise sechs Euro in der Spätvorstellung zurückerstatten zu lassen. Immer bis 15 Minuten vor Filmende besteht diese Möglichkeit. Damit die Open-Air-Vorstellungen die übrigen Festivalbesucher und die Anwohner nicht stören, ist der Ton der Filme nur über die ausgehändigten Kopfhörer zu empfangen. Wer keine Kopfhörer aufsetzt, sieht einen Stummfilm. Über den Rhein, nach Mannheim, führt im Open-Air-Kino die temperamentvolle Familienkomödie „Die Welt der Wunderlichs“, die in der Quadratestadt gedreht wurde. Mimi Wunderlich (Katharina Schüttler) arbeitet in einem Elektronikmarkt in Neckarau, ihre Schwester (Christiane Paul) betreibt einen Friseursalon in den S-Quadraten, die Mutter (Hannelore Elsner) pflegt ihr Selbstmitleid in einem Reihenhaus und der Vater (Peter Simonischek) ist Patient im Zentralinstitut für seelische Gesundheit. Der etwas biedere Historienfilm „Der junge Karl Marx“ führt zurück in die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts, in denen der Titelheld (August Diehl) und Friedrich Engels (Stefan Konarske) zusammenfanden und begannen, eng zusammenzuarbeiten, gemeinsam verschiedene revolutionäre Schriften veröffentlichten, bis hin zum „Kommunistischen Manifest“. Wie ihr umstürzlerisches Gedankengut umgesetzt wurde, zeigen der ambitionierte, aber doch etwas enttäuschende Film „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, der im Herbst 1989 auf der Geburtstagsfeier eines verdienten 90-jährigen SED-Parteigenossen (Bruno Ganz) spielt, und die witzige Agentenkomödie „Kundschafter des Friedens“ um eine Gruppe ehemaliger DDR-Spione (Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Winfried Glatzeder und Thomas Thieme), die nun vom bundesdeutschen Geheimdienst reaktiviert wird. „Die Blumen von gestern“ ist eine einfallsreiche und originelle Screwball-Komödie um einen Holocaustforscher (Lars Eidinger), mit so ernsten schweren Themen wie Schmerzen, Schuld und Aussöhnung, die mit viel Situationskomik und schneidend treffenden, schnellen Dialogen angegangen werden. Gar nicht so weit von dieser Haltung entfernt ist die schwarze und lakonische Tragikomödie „Wilde Maus“ des österreichischen Kabarettisten Josef Hader, der Regie führte und die Hauptrolle spielt: einen Wiener Journalisten und Musikkritiker, den sein deutscher Chefredakteur unversehens auf die Straße setzt. „You`ll never walk alone“ ist eine popkulturelle Dokumentation über die gleichnamige, ebenso aufrichtende wie Trost spendende Fußballhymne, die längst nicht mehr nur beim FC Liverpool gesungen wird. Mit dabei der Fußballfan und Schauspieler Joachim Król, der mit dem TV-Zweiteiler „Tod im Internat“ noch einen weiteren Film im Programm hat und am 3. und 4. September auch persönlich nach Ludwigshafen kommen wird. Mit dem kirgisischen Drama „Nomaden des Himmels“ und der belgischen Komödie „Das brandneue Testament“ zeigt das Festival erstmals zwei Filme, die nicht aus dem deutschsprachigen Raum kommen, und öffnet sich damit dem internationalen Kino.

x