Ludwigshafen „Es geht um Lebensqualität“

Blick in einen Operationssaal der BG Klinik in Oggersheim.
Blick in einen Operationssaal der BG Klinik in Oggersheim.

Auf seine BG Klinik lässt Paul Alfred Grützner nichts kommen. Wäre auch merkwürdig. Schließlich arbeitet der habilitierte Mediziner mit Professur an der Uni Heidelberg seit 1996 hier – nur unterbrochen von einem dreijährigen Abstecher nach Stuttgart. Seit 2009 gehört der gebürtige Pirmasenser als Ärztlicher Direktor zudem der Klinikleitung an und ist Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie. Speziell in der Versorgung von Schwerstverletzten seien die BG Kliniken und auch das Haus in Ludwigshafen bundesweit eine sehr anerkannte Adresse, sagt Grützner. Er möchte, dass das so bleibt und überhaupt: „Ich will meinen Beitrag dabei leisten, dass die Versorgung der Patienten wenigstens ein Stückchen besser wird.“ Das klingt bescheiden und erklärt doch, warum der in Worms lebende Arzt sich seit Jahren auch in Fachverbänden engagiert. Und bei diesem ehrenamtlichen Engagement ist 2019 für Grützner ein ganz außergewöhnliches Jahr, denn er ist bis Jahresende Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (10.000 Mitglieder) sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (4800 Mitglieder). Der Unfallchirurg ist ganz viel auf Reisen, lernt in anderen Ländern und kann aufzeigen, was in Deutschland und speziell in Oggersheim gut läuft. „Das ist alles unglaublich spannend“, so Grützner zu seiner Aufgabe, Sprecher von über 10.000 Medizinern zu sein. Dazu zählen übrigens auch Anhörungen in der Politik. Es sei schon eine besondere Herausforderung, etwa den Gesundheitsausschuss des Bundestags auf Folgen von Gesetzen im medizinischen Alltag hinzuweisen. Und darum geht es ihm entscheidend. Zusätzliche Arztstelle genehmigt Daher steht der große Kongress in Berlin, zu dem im Oktober 11.000 bis 12.000 Teilnehmer erwartet werden, auch unter dem Motto: „Wissen braucht Werte“. Als Präsident ist Grützner für das Programm mitverantwortlich. Eine große Aufgabe. Das Programm für die vier Tage ist zweisprachig und füllt ein dicht bedrucktes Poster. Ihm geht es mit dem Titel aber ganz speziell um eine konkrete Botschaft: „Ökonomisierung führt nicht zwangsläufig zu einer besseren Versorgung.“ Man müsse also inne halten und sich fragen: „Was ist uns wichtig? Es geht um Empathie für Mitarbeiter und Zuwendung für Patienten“, betont Grützner. Damit ist der Bogen dessen, was der Unfallchirurg erreichen will, gespannt. Stichwort: Empathie, also Mitgefühl. Er kann auch noch einmal erklären, dass er all diesen Einsatz ohne „seine“ BG Klinik gar nicht bringen könnte. So habe die Geschäftsleitung ihm eine zusätzliche Arztstelle genehmigt, sodass die wichtige Zuarbeit gewährleistet sei. „Das ist ja in den heutigen Zeiten nicht selbstverständlich. Daher verdient die Geschäftsleitung meine Hochachtung meinen Dank“, so Grützner. Das Dankeschön gibt er zudem an „meine top qualifizierten Leute“ an der BG weiter. Die übernehmen den Alltag in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie. „Mich begeistert die Teamarbeit hier im Haus immer wieder, wie viele Zahnräder hier ineinander greifen.“ Die politische Komponente Bei der ehrenamtlichen Arbeit in den in Berlin ansässigen Fachgesellschaften gehe es dann ganz schlicht darum, die Weichen so zu stellen, dass in Krankenhäusern gut gearbeitet werden könne. Und Grützner hat eben speziell die Unfallchirurgie, also die Behandlung Schwerverletzter (Polytrauma – so die Fachbezeichnung) im Blick. Als ganz wichtig stuft der Wormser das Traumaregister ein. Hier werden bundesweit die Daten von Schwerverletzten erfasst: Wie ist jemand verletzt, was wurde verletzt, wie wurde behandelt, was kam dabei raus? Erfasst würden nur die medizinischen Daten, keine persönlichen wie Name und Anschrift. Und doch: Auch hier wirkt sich die Datenschutzgrundverordnung aus. Es gebe Bedenken von Kollegen, dass jemand klagen könnte. „Eben weil wir nicht von jedem Schwerverletzten eine Unterschrift haben“, so Grützner. Er hält die erfassten Angaben für unproblematisch. Sie dienten rein den Forschungszwecken – „und damit der Verbesserung der Behandlung“. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) könnte den Unfallmedizinern helfen: „Wenn er ein Gesetz einbringen würde, dass der Eintrag ins Traumaregister Vorschrift ist.“ Das ist die politische Komponente, Hintergründe erläutern und Verständnis wecken. Grützner hält das Sammeln von Daten für unerlässlich. „Nur so können wir Muster erkennen und Rückschlüsse für die Behandlung ziehen“, betont er. Dies gelte auch aktuell, da unter den Schwerverletzten immer mehr Senioren seien – Unfälle mit E-Bikes, bei der Gartenarbeit, mit dem Motorrad. Die Medizin müsse darauf reagieren. „Mit den Daten können wir sehen, ob bei Senioren bestimmte Verletzungen gehäuft auftauchen und welche Behandlung am besten ist.“ Dürfte Grützner träumen, würde er sich ein Register für alle Verletzungen wünschen. „Das würde Geld sparen, da wir Verletzungsmuster erkennen und so die Prävention steuern könnten, so dass gar keine Behandlung nötig wäre“, sagt Grützner. Digitalisierung eine große Frage Die Daten aus den Registern seien wertvoll. Sei es vor Jahren noch darum gegangen, dass Patienten überhaupt überleben, könne man sich heute der Frage widmen: „Wie überlebt er? Es geht jetzt also zentral um die Lebensqualität nach einem Unfall und der Behandlung.“ Für Verbesserungen tritt Grützner zudem bei der Digitalisierung ein. Er mahnt: „Wir hinken hier weit hinterher.“ Während man in Deutschland froh sei, mal ein Patientenbild auf dem Dienst-Smartphone anschauen zu können, würden in Ländern wie Estland alle Gesundheitsdaten auf dem Ausweis gespeichert. Er wisse um datenschutzrechtliche Bedenken, sagt aber auch: „So weiß ein Arzt, welche Medikamente genommen werden und welche Vorerkrankungen es gibt, das hilft im Notfall.“ Deshalb kämpft Grützner auch dafür, dass Kliniken ihre Mitarbeiter gut aus- und weiterbilden können. „Aktuell gibt es dafür keine eigenen Budgets“, warnt der 56-Jährige. Dieser Bereich müsse strukturiert werden. Nur so könne man eine optimale Behandlung garantieren. Deshalb wirbt Grützner auch für spezialisierte Fachzentren an Kliniken und warnt die Politik vor dem Gießkannenprinzip. Der Präsident hat also mehr als genug Themen. „Man muss eben bereit sein, sich einzubringen.“ Für ihn sei das sehr gewinnbringend. Aber auch für die BG Klinik: „Das ist schon eine Auszeichnung, wenn so ein Amt aus dem eigenen Haus besetzt wird.“

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