Mannheim Ein Abend voller Sinnlichkeit: „Komm, zieh dich aus“ in der Klapsmühl

Szene aus dem Liederabend „Komm, zieh dich aus!“ mit (von links) Willi Haselbek, Josefin Jössl und Wolfgang Schmitter.
Szene aus dem Liederabend »Komm, zieh dich aus!« mit (von links) Willi Haselbek, Josefin Jössl und Wolfgang Schmitter.

„Ich möcht' dich küssen, bis zu deinen Füßen“, reimte einst der österreichische Liedermacher Georg Danzer. Vom Titel und Thema seines einschlägigen Liedes „Komm, zieh dich aus“ ließ sich das Mannheimer Klapsmühl'-Ensemble anregen und feierte mit gleichnamigem Programm nun Premiere.

Der Begriff „Geschlechtsverkehr“ sei heute schon anrüchiger als Ausdrücke, die sich direkt vom Militär oder Krieg herleiten, befindet das Ensemble der Mannheimer Kleinkunstbühne angesichts von Weltlage und Zeitgeist. Da sei es doch dringend geboten, das genannte Thema in all seinen Variationen „unverblümt und mit Lust und Laune“ anzugehen. Nicht körperlich, aber literarisch, musikalisch und nicht zuletzt kabarettistisch, versteht sich. Schließlich besteht das hauseigene Klapsmühl'-Ensemble aus Mitgliedern und Begleitern des traditionsreichen Kabaretts Dusche, das Jahr für Jahr ein neues Programm in die Klapsmühl' bringt. „Komm, zieh dich aus“ vereint auf der Bühne nun Josefin Lössl und Wolfgang Schmitter von der Dusche mit dem Musiker Willi Haselbek am Piano.

Winfried Kretschmann erteilt gute Ratschläge

Wolfgang Schmitter, längst in Mannheim zu Hause, aber ursprünglich in Schwaben beheimatet, ist da etwa in seiner Paraderolle als baden-württembergischer Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu erleben, der einen dringenden Aufruf startet. „Schreiten Sie zur Tat!“ fordert er, „leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Menschheit!“ Mittels Fortpflanzung oder wenigstens regelmäßigem Sex, der das Blut ebenso in Wallung bringe wie für das seelische Gleichgewicht sorge. Bewegungen im Bett oder sonstwo, mithin alternative Wärmeerzeugung, verfügten über eine ausgezeichnete Energiebilanz. Die Folge: „Auch aus ökologischer Sicht können Sie mit einer gesteigerten Verkehrsdichte der Umwelt dienlich sein.“

Eine musikalische Reise voller Erotik

Wolfgang Schmitter ist im neuen, von Willi Haselbek konzipierten und inszenierten Programm für die Wortbeiträge zuständig, Josefin Lössl und der Spielleiter selbst für die Musik. Bekannte und unbekannte Volkslieder und Gedichte, satirische bis ironische Chansons bestimmen die ausgesprochen kurzweilige Show, die sich als verblüffend vielfältig und entsprechend abwechslungsreich erweist, obwohl es doch immer nur um „das Eine“ geht. Aber „dies Eine“ ist eben an sich schon so reich und vielgestaltig, dass hier eine große Anzahl von über 30 rasch aufeinanderfolgenden Programmpunkten zusammenkommt, die nacheinander Aufklärung (nach Ludwig Thoma) und Erotik (Georg Kreisler), Hetero- und Homosexualität („Manfred“), Selbstbefriedigung („Der Staubsauger“) und käufliche Liebe (Friedrich Hollaender), Lust und Moral (Erich Kästner), Hörigkeit (Bertolt Brecht) und venerische Krankheiten (Albert Ehrenstein), Jungfräulichkeit („Mädchenlied“) und Alterssex (Otto Reutter) amüsant verhandeln.

Der Krieg der Geschlechter

Schmerz- und gewaltfrei geht es auch in der Sexualität nicht zu, ist dabei zu erkennen, leidenschaftlich ohnehin, so dass die Kriegsmetaphorik offenbar nicht von ungefähr kommt. „Es war Liebe auf den ersten Blick / In der Lüneburger Heide. / Du mit deinem süßen Panzer, / Das fand ich schick“, singen Lössl und Haselbek in einem alten Song der Kölner Zeltinger Band. Der zur Triebabfuhr missbrauchte Staubsauger verunstaltet in einem Gedicht das eingeführte Geschlechtsteil, und die eine Trennung von ihrem Partner herbeisehnende Lössl fleht: „Bitte, bitte, kauf dir einen Föhn! / Mit dem kannst du dann baden gehen.“ In Pfälzer Dialekt passt sie Claire Waldoffs Berliner Chanson „Wegen Emil seine unanständige Lust“ aus der Weimarer Republik hiesigen und heutigen Verhältnissen an, wenn sie singt: „Isch loss mer doch net die Nas verpatze, wegen dem Kalle seiner versaute Luscht, ich loss mer doch net's Fett aus de Oberschenkel kratze wege 'nem Kalle soinere versaute Luscht.“

Der erotisch-musikalisch-literarische Abend kommt ausgesprochen gut an, wie der begeisterte Applaus zeigt. Sex geht halt immer, überall und in allen Variationen.

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